Bücher zwischen Bestseller und BookTok: Ein persönlicher Blick auf zwei Buchwelten

Shadiat Banjoko

Bücher sind für mich eines der wichtigsten Medien im Alltag. Ja, das sage ich, obwohl ich zu einer Generation gehöre, die sehr viel Zeit am Handy verbringt. Ich liebe es, durch Buchhandlungen wie Thalia zu stöbern und mich von den Covern, den Aufstellern und den kurzen Klappentexten inspirieren zu lassen. Andererseits bietet Social Media, insbesondere TikTok, eine neue Möglichkeit, sich über Bücher zu informieren, Empfehlungen zu bekommen und verschiedene Meinungen zu entdecken. Eine Zeit lang habe ich ausschließlich Bücher gelesen, die mit dem Titel „Spiegel- Bestseller“ gekennzeichnet waren. Rückblickend finde ich das ziemlich absurd. Damals dachte ich, dass ein Buch, das auf dieser Liste steht, automatisch gut sein müsse. Oft war das jedoch nicht der Fall.

Die Spiegel-Bestsellerliste entsteht durch die Auswertung der aktuellen Verkaufszahlen, die von Buchhandlungen, Online-Shops und Verlagen gemeldet und vom Marktforschungsunternehmen Media Control wöchentlich zusammengestellt werden. Es handelt sich also um einen quantitativen Ansatz, der Bestseller nicht nach Qualität, sondern nach Verkaufsmenge bestimmt. Dies kann zu Ungleichgewichten und mangelnder Vielfalt führen, da populäre Titel immer wieder bevorzugt gekauft und gelistet werden. Im Vergleich dazu basiert BookTok viel stärker auf persönlichen Meinungen und emotionalen Reaktionen. Hier geht es oft um die Qualität des Leseerlebnisses und darum, Autor:innen eine Bühne zu geben, die sonst vielleicht übersehen würden. Durch den Algorithmus bekommt man individualisierte Buchempfehlungen, auf den ersten Blick eine großartige Möglichkeit, um Inspiration zu finden.

Meine Meinung dazu ist jedoch zwiegespalten. Einerseits finde ich es toll, dass durch TikTok Menschen zum Lesen motiviert werden und man durch Videos auf neue Titel aufmerksam

wird. Andererseits ist die „Bestsellerliste“ von BookTok oft erstaunlich eintönig: Es dominieren Romance und Fantasy-Titel, in denen nicht selten sexualisierte Gewalt romantisiert oder klischeehafte Geschlechterrollen reproduziert werden. Dies zeigt sich beispielhaft an der Diskussion um Colleen Hoover, deren anfangs hochgelobte Bücher später von Teilen der Community stark kritisiert oder sogar „gecancelt“ wurden. Im Vergleich dazu bietet die Spiegel-Bestsellerliste ein breiteres Spektrum an Genres von Sachbüchern über Krimis bis hin zu literarischen Romanen und spricht damit irgendwie auch eine große Leserschaft an. In Seminaren habe ich oft mitbekommen, dass BookTok den Verlust „richtiger Literatur“ fördert, was so viel bedeuten, dass emotionale Unterhaltungsliteratur klassische literarische Werke verdrängen.

Gesellschaftlich betrachtet glaube ich, dass Autor:innen auf der Spiegel-Bestsellerliste oft ernster genommen werden als solche, die „nur“ durch einen Social-Media- Hype bekannt geworden sind was meines Erachtens nach schon stimmt.

Alles in allem finde ich, dass TikTok eine großartige Möglichkeit bietet, neue Bücher zu entdecken und den Spaß am Lesen zu fördern, besonders für junge Menschen oder Wiedereinsteiger:innen. Die Spiegel-Bestsellerliste hingegen bietet eine facettenreichere Auswahl, die einen Beitrag zur Erhaltung literarischer Vielfalt leisten kann. Beide Listen haben ihre Stärken und Schwächen und vielleicht liegt die Zukunft des Lesens genau in dieser Mischung aus Tradition und Trend.