Sophie Eggert
Klettern ist mehr als Sport: es ist zusätzlich Konzentration, Risiko und vor allem Vertrauen. Trotzdem wird auch hier das Handy immer präsenter, um Storys zu checken oder schnell ein spektakuläres Selfie an der Kletterwand hochzuladen. Was macht das mit dem Erlebnis? Was macht das mit uns?
Auf dem Foto kann man erkennen, dass die sichernde Person mit ihrer Aufmerksamkeit voll beim Foto ist und daher elementare Fehler macht. Das Seil muss zu jeder Zeit mit mindestens einer Hand festgehalten werden und zudem darf nicht zu viel Seil zwischen Kletterer und Sicherer sein, da der Kletterer bei einem Sturz so noch weiter nach unten fallen würde und in diesem Beispiel direkt auf den Boden stürzen würde, was nicht nur für Schmerzen sorgt, sondern auch ernstzunehmende Verletzungen verursachen kann.
Ich klettere seit Jahren. Für mich ist dies ein Gegenpol zur digitalen Welt. Es ist ein Ort, an dem ich mich ganz auf das Hier und Jetzt konzentrieren kann und muss. Eine Sekunde der Unachtsamkeit kann Verletzungen bedeuten. Ein Handy ist beim Sichern nur Ablenkung und ist für mich ein Symbol einer Welt, aus der ich mich in dem Moment bewusst herausziehen möchte.
Wir stehen heutzutage unter permanenter Verfügbarkeit durch unsere mobilen Endgeräte. Dabei haben wir Zugriff auf Informationen, Kommunikation und Selbstdarstellung. Wir sind es gewohnt, jeden Augenblick zu teilen oder auch „zu inszenieren“. Selbst Freizeitaktivitäten, wie Klettern, bleiben dabei nicht verschont. Das Handy ist einfach allgegenwärtig, dokumentiert, analysiert und teilt. Das Smartphone hat viele dahingehend konditioniert, dass kein Moment zählt, wenn er nicht festgehalten wurde. Die Benutzung eines solchen Mediums beim Sportklettern fühlt sich dennoch wie ein Bruch an, da es sich ja eigentlich um einen analogen und körperlichen Moment handeln sollte.
Und trotzdem gewinnt das Smartphone auch im Sport immer mehr an Sichtbarkeit und Relevanz, die durch einige Apps wie BeReal, Instagram etc. angetrieben werden, da kurze, spektakuläre Inhalte „belohnt“ werden. In diesen Fällen ist das Erlebnis oft nur Mittel zum Zweck, sprich Aufmerksamkeit. So ändert sich nun auch das Verhalten, denn der eigene Körper und (Kletter)Partner stehen nicht mehr im Zentrum, sondern eher das entstehende Bild. Die Kletterhalle wird so zur Bühne der Kletterer, die zu Content-Creators werden.
Natürlich gibt es gute Gründe, sein Smartphone dabeizuhaben, wie zum Beispiel für Notfälle, Routenplanung, um schöne Momente festzuhalten et cetera. Doch wo zieht man die Grenze? Wann ist der Punkt erreicht, dass es vom praktischen Tool zur ständigen Störung kippt? Wenn ich jemanden beim Sichern mit einem Handy sehe, frage ich mich wirklich, ob derjenige weiß, was für eine Verantwortung er trägt und ich kann diese gefährliche Situation nicht unkommentiert lassen. Der Sicherer muss den Kletterer permanent beobachten, um einen möglichen Sturz frühestmöglich zu bemerken und sofort reagieren zu können, um Unfälle zu verhindern.
In der Medienpädagogik gibt es das Konzept der reflexiven Mediennutzung, in dem mobile Geräte nicht verboten oder abgelehnt werden sollen, sondern ein bewusster Umgang befürwortet wird. Der Schlüssel liegt demnach nicht in der Tabuisierung, sondern in bewussten Entscheidungen. Meines Erachtens brauchen wir Medienkompetenz auch in den Nischen des Alltags, wie in diesem Beispiel beim Sport und nicht nur in der Schule oder im Beruf. Vielleicht liegt der Schlüssel nicht im Verzicht auf Technik, sondern in der bewussten Entscheidung, wann wir sie brauchen und wann nicht.
Mein Fazit ist daher, dass sich Klettern und Smartphones nicht ausschließen, jedoch passen sie (noch) nicht perfekt zusammen. Die Herausforderung liegt nun bei den einzelnen Sportlern, Medien bewusst und kompetent einzusetzen und dabei die Verantwortung für sich selbst und andere nicht zu missachten.