Daniel Gerstner
Handy am Steuer, so banal, dass es vermutlich jeder schon einmal für eine „Millisekunde“ gemacht hat, und dennoch so gefährlich. Bereits seit 2016 ist die Ablenkung am Steuer Verkehrsursache Nummer eins in Deutschland. Schon vor knapp zehn Jahren konnten ca. 500 Verkehrstote und ca. 25.000 Verletzte jährlich auf die Nutzung eines Smartphones hinterm Steuer zurückgeführt werden, wobei die Dunkelziffer wahrscheinlich noch viel größer ist. Die Tendenz für heute ca. neun Jahre später scheint weiter nach oben zu gehen. Wissenschaftlichen Studien zu folge erhöht die Nutzung im Straßenverkehr das Risiko um bis zu das 50-fache.
Wie kann es nun aber sein, dass wir trotz eindeutiger Verbote, die die Nutzung des Endgeräts ausdrücklich während der Fahrt in jeder Form verbieten, dennoch vermutlich in jeder Fahrt mindestens einmal zum Handy greifen. Im Vergleich zu früher ist das Handy heute alles für den Fahrer. Navigationssystem, Musikanalage bzw. Radioersatz, aber auch Kommunikationsmittel. Im Stau, an der roten Ampel oder auch mal bei freier Fahrt kurz das Handy in die Hand nehmen und die Route überprüfen, noch ein paar Lieder in die Warteschleife oder den Freunden kurz auf WhatsApp antworten. Dass wir in diesen Momenten bereit sind, uns selbst, andere Mitfahrer wie Freunde und Familie, sowie andere Verkehrsteilnehmer so derartig zu gefährden ist sehr aussagekräftig über uns und unseren Medienkonsum bzw. unsere Abhängigkeit.
Doch inwiefern spiegelt eigentlich das Handy am Steuer unsere Beziehung zu digitalen Medien, unserem Konsum und unserer Abhängigkeit wider? Zum einen scheint es für uns mittlerweile unmöglich eine kurze Autofahrt hinter uns zu bringen, ohne währenddessen zu konsumieren. Vor der Fahrt das Navi und die Musik einstellen und das Handy beispielsweise stummzuschalten scheint nicht machbar. Würde man mit Bahn oder Bus, könne man ja auch ständig das Handy in die Hand nehmen. Für andere erreichbar zu sein, und schnell zu antworten scheint von großer Wichtigkeit für uns zu sein. Anscheinend für viele wichtiger als die Sicherheit aller im Straßenverkehr. Die Unfähigkeit für uns, auch nur für einen kurzen Zeitraum mal offline zu sein, ist für viele offenbar zu viel verlangt. Es zeigt wie wir von der Digitalisierung, unseren Handys und dem Medienkonsum durchdrungen sind, wie unsere Abhängigkeit selbst in Momenten größter Gefahr gestillt werden muss, und dass hinterm Steuer oftmals zum Nachteil anderer.
Symbolisch könnte man den Handygebrauch hinterm Steuer auch etwas weiter deuten. Man könnte ihn als unser alltägliches Navigieren durch die sozialen Medien deuten. Denn selbst ohne den Konsum jener hinterm Steuer, bleiben unsere alltäglichen Aktivitäten im Netz gefährlich. Für uns und für andere.