Shaya Syed
Wir leben in einer Gesellschaft, in der das Geschehene oft erst dann als „real“ gilt, wenn es fotografiert und online gestellt wird. Der Moment selbst wird dabei völlig außer Acht gelassen und verliert dabei an Wert gegenüber seiner medialen Inszenierung. Mein Foto zeigt einen jungen Mann, der am Ufer eines ruhigen Sees steht. Im Hintergrund ist eine malerische Landschaft zu erkennen: ruhiges Wasser, grüne Bäume, ein leicht bewölkter Himmel, durchbrochen von warmem Sonnenlicht. Die Umgebung wirkt friedlich und idyllisch.. eigentlich ein Moment, der zum Innehalten und Genießen einlädt.
Doch der junge Mann hält mit verbundenen Augen sein Smartphone in der Hand. Statt den wundervollen Anblick der natürlichen Umgebung zu genießen, liegt sein Fokus auf seinem Bildschirm, wo er die schöne Landschaft fotografiert. Seine Augen sind mit einer Binde verdeckt, worauf die typischen Symbole der sozialen Medien abgebildet sind, wie Facebook, Instagram, Twitter, TikTok etc. Rechts oben ist ein Instagram-Post abgebildet – mit dem Bild, das der junge Mann eben geschossen hat. Diese Augenbinde steht symbolisch für eine eingeschränkte oder gefilterte Wahrnehmung, welche durch soziale Medien beeinflusst wird.
Über dem Kopf der Person schweben lauter kleine Symbole sozialer Netzwerke. Diese stehen für generierte Likes, steigende Follower und wachsende Kommentare. Rechts oben ist ein Instagram-Post zu sehen, mit dem Foto, das der junge Mann gerade geschossen hat.
Dieses Bild spielt mit einem sehr starken Kontrast: Auf der einen Seite die reale Welt – ruhig, schön, idyllisch und natürlich. Und auf der anderen Seite die virtuelle Welt der sozialen Medien, welche alles beurteilt, filtert und in Zahlen misst. Somit verhandelt das Foto den Verlust der unmittelbaren Wahrnehmung, welche durch die mediale Vermittlung ausgelöst wird. Daraus schließt sich die Frage: Verinnerlichen wir wirklich noch den Moment und sehen, was uns umgibt – oder achten wir nur noch darauf, wie wir es darstellen können?
Heutzutage leben wir in einer digitalisierten Welt, in der ein Mensch ohne sein Smartphone kaum noch auskommt. Statt das Schöne zu erleben, wird fotografiert – doch nicht zur Erinnerung, sondern zur Selbstdarstellung. Ich erwische mich selbst in vielen Situationen: Wenn ich ausgehe, ob essen gehe oder in eine Bar, wie ich vor dem Verzehr erst einmal ein Foto mache, um es bald auf Instagram posten zu können. In dem Bild geht es hierbei um den Sonnenuntergang. Soziale Medien lösen damit ein „Mittel-zum-Zweck“-Prinzip aus. Denn Plattformen wie Instagram, Facebook usw. fördern diesen Mechanismus. Wer viel postet, sichtbar ist und Interaktionen erzeugt, wird dann mit Likes und Followern „belohnt“.
Das Foto ist nicht nur ein schönes Motiv – es dient als ein kritischer Spiegel unserer heutigen Zeit. Es sollte uns anregen, innezuhalten und zu reflektieren: Wie häufig schauen wir wirklich hin? Genießen wir wirklich den Moment, den wir gerade erleben? Können wir diesen Augenblick für uns – oder nur für andere – genießen? Die digitale Welt bringt viele Möglichkeiten mit sich. Jedoch darf sie nicht zu einer einzigen Brille werden, durch die wir diese Welt betrachten. Ich bin der Meinung, dass die wahre Schönheit oft im Ungefilterten, im Ungeteilten, einfach im Moment liegt.