Das moderne Klassenzimmer

Peer Dörnemann

Wir blicken von hinten auf die Klasse. Zu sehen sind 25 Schüler:innen, die alle Tablets vor sich aufgebaut haben. Auf diesen sind jedoch keine Unterrichtsinhalte zu erkennen, sondern Videospiele. Der Raum ist völlig kahl, es hängen keine Plakate oder andere Dinge an den Wänden. Die Schule hat sich nämlich entschieden, sämtliche Inhalte ausschließlich digital zu vermitteln.

Die Schule hat den Auftrag bekommen, Ressourcen zu sparen. Es sollen keine Inhalte mehr außerhalb des Tablets stattfinden.

Die jungen Schüler:innen dieser Schule haben diesen radikalen Ansatz dankbar angenommen. Schnell wurden die Sicherheitsbarrieren überwunden und Spiele aus dem Internet heruntergeladen. Schnelle Reaktionszeiten, sobald eine Lehrkraft doch einmal einen Blick auf das Tablet wirft, und eine gemeinschaftliche Verschwiegenheit lassen die Schulleitung im Dunkeln tappen. Seit Beginn dieses neuen Ansatzes scheinen viele der Schüler:innen Probleme mit ihrer Aufmerksamkeitsspanne zu haben und auch schlechtere Noten zu schreiben. Die Lehrkräfte wirken überfordert. Bis auf eine kurze Medienschulung und die Bereitstellung von Laptops haben sie keine weitere Unterstützung erhalten. Deshalb haben viele Lehrkräfte – wie auch in diesem Klassenraum – weiterhin eine Tafel beibehalten. Die Überforderung ist groß, und das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, wächst. Viele Inhalte sind digital bereits vorgegeben, um effizienter und kostengünstiger zu sein.

Dieses von KI generierte Bild und die zugespitzte Schilderung der Situation dienen der Hervorhebung bestimmter Aspekte, die bei der Digitalisierung von Schule und Unterricht eine Rolle spielen.

Zunächst geht es mir um das Bild selbst. Wenn es um Tablets im Unterricht geht, würden viele Menschen wahrscheinlich genauso ein Bild erwarten. Die Schüler:innen werden durch das Potenzial der digitalen Medien abgelenkt. Unsere Grundeinstellung gegenüber digitalem Unterricht ist oft kritisch und negativ. Kein Einzelfall in unserer Gesellschaft – wie wir auch im Kurs besprochen haben, hatten auch Printmedien einen schwierigen Start. Es scheint, als stünden wir Veränderungen in diesem Bereich oft sehr skeptisch gegenüber.

Das ist zwar verständlich, aber dennoch unproduktiv. Medien – insbesondere digitale Medien (gemeint sind hier nicht soziale Netzwerke, sondern Tablets, Laptops, Smartphones) – können beim Lernen eine große Hilfe sein. Sie öffnen traditionelle Lernstrukturen und ermöglichen individuellere Lernprozesse.

Trotzdem sind Sorgen berechtigt: Schüler:innen sind im Umgang mit digitalen Medien oft geschickter als Erwachsene. Die Sicherheitslücken der „Schul-iPads“ zu umgehen, scheint für viele weniger Aufwand zu sein als deren Einrichtung für die Schulen selbst. Ein intelligenter Umgang und eine wirklich professionelle Einrichtung der Tablets sind also essenziell, wenn man solche Situationen vermeiden will.

Dabei wird auch deutlich, dass vor allem junge Menschen, die mit Handy und Tablet aufgewachsen sind, einen Kompetenzvorsprung gegenüber den Lehrpersonen haben. Für mich ist das einer der zentralen Aspekte, der die Digitalisierung des Unterrichts an Schulen bremst. Viele Lehrpersonen möchten sich nicht von ihren vertrauten Methoden abwenden und in einen Bereich eintauchen, in dem ihnen die Schüler:innen womöglich voraus sind. Deshalb ist es essenziell, Lehrer:innen aktiv zu unterstützen und ihnen die Vorteile digitaler Medien aufzuzeigen. Diese Unterstützung muss tiefgreifend sein und sollte ein zentraler Fokus jeder Schule werden. Denn der Umstand, dass sich Schüler:innen besser mit dem Medium auskennen als ihre Lehrkraft, kann die Autorität bei der Vermittlung von Inhalten beeinträchtigen.

Die Probleme im Umgang der Schüler:innen mit den Geräten hängen meiner Meinung nach immer auch mit den Lehrpersonen und dem Schulumfeld zusammen. Schüler:innen nutzen die Lücken, die ihnen die Schule bietet. Die Verantwortung liegt bei den Schulen: Sie müssen die Schulmedien so bereitstellen, dass Schüler:innen gar nicht erst in Versuchung geraten. Für mich wäre es vergleichbar damit, wenn man am Ende eines Deutschbuches einen Comic anheftet und dann von den Schüler:innen erwartet, nicht hineinzuschauen.

Schule sollte letztlich gesellschaftsvorbereitend sein. Dazu gehört auch der bewusste Umgang mit digitalen Medien. Schüler:innen sollten lernen, zwischen Arbeit und Freizeit mit digitalen Medien zu unterscheiden. Die Verantwortung für die digitale Erziehung allein auf das Individuum und die Familie zu übertragen, würde gesellschaftliche Ungleichheiten verstärken – Familien mit hoher digitaler Medienkompetenz gegenüber jenen, die sich auf klassische Medien verlassen. Schulen müssen ein Ort der Chancengleichheit sein. Deshalb sollten sie die Digitalisierung aktiv gestalten. Derzeit befinden wir uns in einer Übergangsphase: Es gibt definitiv Lehrkräfte, die kompetent mit Tablets umgehen. Doch es sollten Möglichkeiten geschaffen werden, damit alle Lehrkräfte sich in diesem Bereich fortbilden können. Auch auf Lehrendenseite muss Chancengleichheit herrschen.

Die Schuld für ein Bild wie dieses zuzuweisen, ist aus einer bewussten Perspektive heraus falsch. Das Bild zeigt vielmehr einen gesellschaftlichen Wandel und die damit verbundenen Probleme – vom Ausnutzen der Tablets durch die Schüler:innen bis hin zur überforderten Lehrkraft, die an traditionellen Methoden festhält. Wir alle gehen unterschiedlich mit Veränderungen um. Deshalb sollten wir uns – und vor allem unsere Schulen – dafür wappnen, bewusst und sicher mit digitalen Medien umzugehen.