Zwischen Spiegelbild und Bildschirm

Freya Thrams

Ich stehe vor dem Spiegel und sehe mich selbst an. In meiner Hand halte ich mein Handy, welches eine Frau mit einer perfekten Bikinifigur zeigt. „Ist das echt?“, frage ich mich. „Und wenn ja, wieso sehe ich nicht so aus?“ Heutzutage sind wir mehr als je zuvor mit den sozialen Netzwerken konfrontiert. Viele junge Menschen sehen jeden Tag Hunderte Bilder von perfekten Menschen, die ein perfektes Leben führen, perfekte Körper haben, und es scheint, als wäre ihr Leben sorgenfrei und ohne Probleme.

Als ich vor ein paar Jahren in die Pubertät kam und mein Körper anfing, sich zu verändern, fing ich ebenfalls damit an, mich ständig mit unrealistischen Idealen zu vergleichen. Ich war vielleicht gerade mal 14 Jahre alt, als ich dem einen perfekten Körper und Lebensstil nachzueifern anfing. Was mir damals nicht bewusst war, war der Fakt, dass Influencer auf Social Media meistens nicht die Realität zeigen. Viele Influencer bearbeiten ihre Gesichter und Körper mithilfe von Filtern oder Photoshop. Vor allem heutzutage lassen sich Bilder und Videos so bearbeiten, dass man es nicht einmal erkennen kann.

Jeder Mensch ist auf seine Art und Weise perfekt. Diese Message sollten Influencer verbreiten, anstatt Jugendliche dazu zu animieren, alles an sich zu verändern. Dinge wie Cellulite, zu hoher BMI, Akne und vieles mehr werden von den meisten als Problem dargestellt. Anstatt Kindern in ihren Unsicherheiten zu bestätigen, sollte viel mehr darauf gesetzt werden, sie zu ermutigen, dass sie toll sind, so wie sie eben sind. Ich sehe so häufig Videos, wo gezeigt wird, wie man zum Beispiel seine Cellulite an den Beinen wegtrainieren kann. Jedoch ist Cellulite völlig normal und betrifft den Großteil aller Frauen. Es ist genetisch bedingt und sollte deshalb nicht als Schwäche oder als Folge von Faulheit dargestellt werden. Es wird weder durch Training noch durch irgendwelche Cremes verschwinden. Und das ist auch völlig in Ordnung. Trotzdem wird darüber in diesen Videos nicht vernünftig aufgeklärt und es setzt viele junge Mädchen unter Druck, obwohl es völlig normal und gesund ist.

Sogar jetzt, wo ich erwachsen bin, erwische ich mich immer noch dabei, wie ich mich verunsichern lasse.

Der Unterschied zu meinem jüngeren Ich besteht aber darin, dass ich jetzt leichter einschätzen kann, was echt ist und was nicht. Trotzdem fällt es einem immer noch schwer, seine eigenen kleinen Makel zu akzeptieren, wenn man jeden Tag hört, was man alles an sich verändern kann und soll.

Was ich heute realistischer einschätzen kann und nicht mehr so nah an mich heranlasse, fällt vielen Jugendlichen immer noch schwer zu durchschauen. Was den meisten Influencern nicht bewusst ist, ist, dass ihre Videos und Bilder nicht folgenlos bleiben. Eine direkte Folge ist der sinkende Selbstwert. Vor allem Kinder und Jugendliche, die sich in der Identitätsfindung befinden, nehmen diese unrealistischen Bilder als Maßstab. Meistens kann man solch ein Aussehen nicht erreichen und es entstehen Unsicherheiten und Selbsthass.

Außerdem kann das Nachahmen solcher Ideale in einer Essstörung enden. Sowohl Mädchen als auch Jungen beginnen früh mit Diäten, weil sie den einen perfekten Sommerkörper erreichen wollen. Als ich letztens auf TikTok war, bin ich auf einen wirklich bedenklichen Trend gestoßen. „Skinny Tok“ ist eine Bewegung, bei der Influencer extremes Dünn Sein romantisieren und ungesunde Diät-Tipps geben, wie man schnell abnehmen kann.

Ich bin natürlich auch schon auf Menschen im Internet gestoßen, die für Body Positivity und das Wohlfühlen im eigenen Körper stehen. Die den Jugendlichen klar machen, dass es nichts gibt, wofür man sich schämen muss. Viele geben Tipps, um seinen eigenen Körper zu akzeptieren und um sich selbst lieben zu lernen. Trotzdem überwiegt der Teil immer noch, der darauf keinen Wert legt, und das lässt sich auch nicht beeinflussen.

Kinder und Jugendliche sind um einiges früher mit digitalen Medien und somit auch mit den Inhalten konfrontiert als vor ein paar Jahrzehnten. Mit der richtigen Unterstützung können junge Menschen ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie sie mediale Einflüsse einordnen können. Die Kinder und Jugendlichen verbringen ihre meiste Zeit in der Schule, und Lehrer sind nicht nur dafür verantwortlich, Wissen zu vermitteln, sondern auch dafür, sie auf ihren Weg ins Erwachsenenalter vorzubereiten und wichtige Werte und Normen zu vermitteln.

Deshalb wäre eine mögliche Idee, wie man dem Druck, den Kinder durch die sozialen Medien spüren, entgegenwirken kann, das Thema frühzeitig in der Schule zu behandeln. Es sollte beim Vermitteln von Medienkompetenz nicht nur darum gehen, technisches Wissen zu erlangen, sondern auch Raum für Themen wie Selbstwert, Körperbilder und kritisches Denken bieten. Natürlich gestaltet es sich schwierig, ein komplett neues Schulfach in den Stundenplan zu integrieren. Jedoch könnte es in bereits bestehende Fächer wie Biologie, Deutsch oder auch Politik integriert werden. Im Fach Biologie könnten Lehrer viel mehr auf das Thema Körperentwicklung und Ernährung eingehen. Politiklehrer und Deutschlehrer könnten Fake News und manipulierte Bilder in den Unterricht integrieren und analysieren. Dadurch könnten Jugendliche leichter verstehen, wie einfach es ist, Bilder zu fälschen, und wie leicht die Realität in den Medien verzerrt werden kann.

Ich kann mich noch erinnern, wie wir während meiner Schulzeit einen Workshop zum Thema Drogen und Alkohol hatten und über die Folgen dessen aufgeklärt wurden. So etwas könnte es auch bezüglich dieses wichtigen Themas ebenfalls geben. Jedenfalls hätte ich mir in meiner Pubertät mehr Offenheit über diese Themen in der Schule gewünscht.

Aber nicht nur die Schule steht in der Verantwortung, sondern auch die Eltern, Influencer und unsere Gesellschaft. Es braucht mehr Echtheit und viel mehr Aufklärung über dieses Thema, statt nur Perfektion. Es sollte auf keinen Fall normalisiert werden, sich ständig mit anderen zu vergleichen und seinen Körper zu hassen, nur weil man nicht den bearbeiteten Bildern aus dem Internet entspricht. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass sich mehr Menschen trauen, auch die Realität mit all den Unsicherheiten zu zeigen, die zum Menschsein dazugehören. Vor allem junge Menschen sollten verstehen, dass Schönheit nicht aus Filtern besteht oder aus dem, was man von außen zu sehen bekommt. Wahre Schönheit kommt von innen und durch Persönlichkeit und Echtheit.