Sind Momente teilbar?

Luca Troll

„Die Massenmedien unserer Zeit bieten dem aufmerksamen Beobachter immerhin eine Chance, die Lüge von gestern mit der Lüge von heute vergleichen zu können.“ (Erich Limpach, 1899-1965, deutscher Dichter, Schriftsteller und Aphoristiker)

Aber nicht nur das, sondern auch Vieles mehr. Die Welt, in der wir leben ermöglicht mit Hilfe der unzähligen vorhandenen Medien, dass wir uns connecten können, austauschen können und Momente, die nicht zusammen erlebt werden, geteilt werden können. Vor allem aber dieses Teilen der „Momente“ hat sich so entwickelt, dass über bestimmte Medien alle Momente geteilt werden, egal ob dies ein besonderer ist oder nicht.

Aber ist es überhaupt möglich einen Moment über ein Medium beispielsweise als Foto oder Video zu teilen? Ich befinde mich momentan in meinem Auslandssemester und merke besonders, dass es nicht einfach ist, die Personen, die zu Hause sind, wie meine Familie und meine Freunde, an meinem Leben teilhaben zu lassen. Durch zahlreiche Erzählungen ist es möglich ihnen einen Einblick geben zu können. Durch Fotos und Videos bekommen sie die Chance auch die Momente zu sehen. Aber richtig teilen kann ich die Momente ja trotzdem nicht mit ihnen.

Bestimmte Momente hält man auch nur für andere fest, um ihnen dann ein Stück von dem, was man selbst erlebt hat weiterzugeben, denn natürlich teilt jeder und jede gerne schöne Momente mit den Lieblingsmenschen.

Was mir außerdem aufgefallen ist, dass gerade ein Auslandssemester die Möglichkeit bietet vieles zu sehen, neue Eindrücke zu bekommen, Neues wahrzunehmen und Erinnerungen zu sammeln. Obwohl wir das alles wollen, tendieren wir trotzdem dazu unser Handy zu zücken, wenn wir etwas Schönes/Unvergessliches/Beeindruckendes/Lustiges sehen und alles abzufotografieren. Haben wir wirklich versucht den Moment aufzusaugen und in unseren Köpfen zu speichern oder denke wir uns, wir machen einfach ein Foto, denn dann besteht dieser Moment sowieso für eine Ewigkeit? Ja, vielleicht auf irgendeiner Speicherkarte oder in irgendeiner Cloud, aber nicht in unseren Köpfen oder Herzen. Gefühle, Gedanken, Erinnerungen, Gerüche, Lichter, Stimmungen und vieles mehr können nicht über ein Medium transportiert werden und auch einen besonderen Moment nur bedingt einfangen.

Ein weiterer Punkt im Bereich der Fotografie, der erwähnenswert ist, ist die Anzahl der Fotos, die wir machen. Auch auf meinem ausgewählten Bild sieht man, dass drei Personen, wahrscheinlich das fast idente Foto machen. Man könnte das mal vergleichen mit Früher: Da hatte man eine Spiegelreflexkamera mit einem Film drin, der eine begrenzte Anzahl an Fotos erstellen konnte, weshalb man sich ganz genau überlegt hat, was man fotografieren möchte und somit die Momente viel bewusster ausgewählt hat. Auch, dass man das Foto erst sehen konnte als der Film entwickelt wurde finde ich spannend. So wusste man eigentlich nicht, ob es einem gelungen ist, den Moment einzufangen oder nicht.

Um auf das anfangs erwähnte Zitat zurückzukommen: Der Dichter meint also, dass die Medien es ermöglichen, zu lügen. Dem würde ich zustimmen, denn die Darstellungen und Inszenierungen, die über verschiedene Medien gelingen können, verzerren oftmals sehr die Wahrheit. Auch der Aspekt des Vergleichs, welcher in dem Zitat thematisiert wird, ist in unserer Welt der Medien stets präsent. Es wird sehr gefährlich, wenn man anfängt das eigene Leben mit dem von anderen zu vergleichen und dadurch das eigene als schlechte oder langweiliger oder nicht so perfekt einstuft. Bei Kindern kann dies sehr problematisch werden, wenn sie sich gar nicht mehr bewusst sind, dass sie sich mit anderen vergleichen.

Bei der Betrachtung meines Fotos ist mir aufgefallen, dass das Medium das Miteinander sehr beeinflusst. Beispielsweise wurde es für mich sehr anstrengend, als auch das 10. Foto von diesem Schwan noch nicht perfekt war und ich warten musste bis dies gelungen war, nur um es dann später auf Instagram wieder zu sehen. Ich möchte hierbei sagen, dass es nicht nur für mich anstrengend war, sondern auch für das Tier.

Außerdem wurde mir bewusst, dass nicht nur die drei durch ihren Bildschirm mit ihrer eigentlichen Umwelt verbunden waren, sondern auch ich, denn ich habe ja in diesem Moment auch mein Handy gezückt, um das abzufotografieren…

Abschließend ist es wichtig für mich zu erwähnen, dass Kinder nicht nur in der Realität Erfahrungen sammeln können, sondern auch mit verschiedenen Medien, das hat allein schon das letzte Jahr gezeigt. Bei den Medien gibt es meiner Meinung nach weder gut noch schlecht. Ich denke einfach, dass es unverzichtbar ist in diesem Bereich weiterhin Aufklärung zu leisten. Vor allem als zukünftige Lehrperson sehe ich es als meine Aufgabe den Kindern einen Umgang mit den Medien zu vermitteln, der sie in ihrem Tun wachsen lassen kann und auf ihrem Weg begleitet und nicht abhängig macht. Im Bereich der Medienpädagogik gibt es unzählige Möglichkeiten und ich sehe es als eine große Verantwortung aber auch Herausforderung den Kindern zeigen zu können, wie schön diese Welt sein kann, ohne ein digitales Medium als Begleiter zu brauchen; dass sie keine Vergleiche anstellen sollen, um sich dann besser/schlechte zu fühlen und dass sie die Momente, die für sie besonders sind mit ihren Augen abfotografieren und für immer in ihren Gedanken und Herzen speichern sollen.