Hewi Amin
Als Kind erschufen wir uns spielerische Welten, in denen wir draußen auf dem Spielplatz gefährliche erfundene Tiere jagten und zuhause Mutter-Vater-Kind mit unseren Puppen spielten. Für unsere Barbies bauten wir Häuser aus den verschiedensten Dingen, die zuhause herumlagen, und erschufen so real wirkende Welten, in denen wir stundenlang versinken konnten.
Mit 13 Jahren erhielt ich mein erstes Smartphone und entdeckte schnell die virtuellen Welten von Facebook und Instagram. Diese Welt erschien mir viel echter als die Fantasiewelten meiner Kindheitsspiele. Ich verlor mich stundenlang in Recherchen zu verschiedenen Themen, in endlosen Youtube-Videos und in langen Chats auf Facebook. Meine Freunde und ich nutzten die digitale Welt als verlängerten Schulhof, schrieben uns rund um die Uhr, tauschten Fotos und Videos aus, und unsere gesamte Welt schien sich nun in unseren Smartphones abzuspielen.
Doch bald erlebte ich die unschönen Seiten dieser digitalen Welt. Ältere Mitschüler*innen schickten mir hasserfüllte Nachrichten, erstellten WhatsApp-Gruppen, in denen ich Ziel von Beleidigungen wegen meines Aussehens wurde. Ich schwieg darüber, denn hätte ich es meinen Eltern erzählt, wäre mir mein Handy und Laptop weggenommen worden – und damit meine schöne neue, aber von Schattenseiten geprägte Welt. Mit 14 erhielt ich mein erstes ungewolltes Bild eines männlichen Genitals zugeschickt, und mit 15 entschied ich mich, alle meine Social-Media-Konten zu löschen. Die negativen Erfahrungen überwogen, und ich konnte die reale Welt nicht mehr von der in meinem Handy trennen.
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus meiner subjektiven Medienbiografie, die größtenteils digital stattfindet. Viele Menschen teilen ähnliche Erfahrungen und stehen vor den Herausforderungen und Risiken der digitalen Welt.
Meine eigenen negativen Erfahrungen sowie meine Arbeit als angehende Lehrkraft machten mich äußerst sensibel und abgeneigt gegenüber der digitalen Welt, die man sich erschaffen kann. In meinem Job in einem Hamburger Jugendzentrum war ich oft schockiert über den exzessiven Medienkonsum der Kinder und Jugendlichen und verurteilte Eltern dafür, dass sie ihren Kindern erlaubten, Plattformen wie TikTok in so jungem Alter zu nutzen. Mit dieser Einstellung ging ich auch in das Seminar für Medienpädagogik, in dem ich dafür plädierte, Smartphones für Kinder und Jugendliche zu verbieten und die Gefahren von sozialen Medien und dem Internet betonte. Der Austausch mit meinen Kommiliton*innen und das Hören von Geschichten ähnlich geprägter Menschen halfen mir, mich mit meiner eigenen Haltung auseinanderzusetzen und das komplexe Thema greifbarer zu machen.
Die reale Welt und die digitale Welt, die die meisten von uns in ihren Handys erschaffen, gehen Hand in Hand. Anstatt digitale Medien zu verteufeln, ist es wichtig, sich aktiv damit auseinanderzusetzen. Besonders als angehende Lehrkräfte und Personen mit erzieherischer Verantwortung haben wir die Pflicht, reflektiert mit diesem Thema umzugehen. Unser Anspruch sollte es sein, den Kindern und Jugendlichen die digitale Welt, deren Grenzen nicht klar umrissen sind, näherzubringen und aufzuzeigen.
Es ist entscheidend, dass Eltern, Erzieher*innen und Lehrkräften über die Chancen und Risiken aufklären, da Heranwachsende heutzutage früher mit digitalen Medien in Berührung kommen als je zuvor. Die Aufklärung durch Erwachsene kann einen enormen Unterschied machen, indem sie den jungen Menschen die eigene Macht und ihre Handlungsspielräume verdeutlichen und sie zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit den digitalen Medien erziehen.