Fabian Lewitz
Der Umgang mit Medien ist seit jeher ein Problem mit dem sich Pädagogen, Wissenschaftler und Philosophen auseinandergesetzt haben. Ob nun die generelle Erwerbbarkeit von Romanen im 18. Jahrhundert, die Einführung des Radios oder gar die Innovationen der Fernsehindustrie, alle diese Medien sind zu ihrer Zeit in Kritik geraten. Dieses Phänomen wird vor allem in der jüngeren Vergangenheit bei einem Medium besonders sichtbar, Videospielen.
Ob nun die ersten Arcadeautomaten, wie „Pac-Man“ oder „Donkey Kong“, Heimentertainmentklassiker wie „Tetris“ oder „Super Mario“ oder „Hardcore“ Gamingtitel wie „Doom“, „Quake“, oder „Unreal Tournament“, Gaming ist ein Phänomen welches zwar Generationen und geschlechterübergreifend existiert, dennoch allerdings primär männlichen Jugendlichen zuzuschreiben ist.
So entstand das stereotypische Bild des Gamers: Ein stark übergewichtiger, „nerdiger“, ungepflegter Typ, welcher noch mit 30 im Keller der eigenen Mutter wohnt, im Leben rein gar nichts erreicht hat und erreichen wird und welcher früher oder später Amok läuft. Doch wie genau entstanden diese Eigenschaften, was ist da dran, und wie stehen die Gamer eigentlich dazu?
Die Eigenschaften übergewichtig, ungepflegt und Versager lassen sich auf einen Faktor vereinen: Zeitinvestition. Gaming ist ein Hobby welches wie jedes andere Zeit beansprucht, und dass teils nicht zu knapp. Viele Titel sind dafür geeignet, dass sie kurzzeitig gespielt werden. Runden in „Call of Duty“ dauern meist nicht länger als 10 Minuten. Singleplayertitel können quasi nach Belieben pausieren und gespeichert werden. In solchen Fällen ist der Gamer in voller Kontrolle über die eigene Spielzeit. Wenn wird allerdings Titel wie „League of Legends“ oder „Civilisations“ betrachten, ist die Situation anders. Solche Spiele haben eine stark prolongierte Spieldauer. Sie lassen sich meist nicht pausieren und Matches können Stunden dauern. Die Kontrolle wird quasi durch einen Spielzwang eingeschränkt, da man schließlich gewinnen möchte, allerdings ist der Gamer immer noch in Kontrolle. Durch die Auffassung dieses Hobbys als zeitintensive meist sitzende Tätigkeit wurde nun also im Grunde genommen durch die Gesellschaft geschlussfolgert, dass der Mangel an sportlichen Aktivitäten sowie eine stereotypisch zugewiesene ungesunde Enährung durch Fast- und Junkfood zu akuten Übergewicht führt und die Priorisierung der Gamer so sehr auf dem Spiel liegt, dass ihnen ihr Aussehen und ihre Zukunft egal ist. Diese Eigenschaften treffen nicht auf den Durchschnittsgamer zu, nicht einmal auf die große Mehrheit. Was beschrieben wird sind akute Suchterscheinungen, welche kein gamingspezifisches Phänomen darstellen. Zu sagen, dass jeder Gamer diesem Maßstab entspreche wäre so als würde man sagen, dass jede Person welche Alkohol trinkt, Alkoholiker ist, einfach absurd.
Kommen wir nun allerdings zum Sichtpunkt des Gamers als „Nerd“. Es ist hierbei anzumerken, dass der Begriff „Nerd“ in der Gesellschaft offen negativ konjungiert ist. Nerds an sich werden dargestellt als streberartige Computerfreaks welche in ihrer eigenen kleinen Welt leben und keinerlei Interesse an „erdlichen“ Gegebenheiten zeigen. Daher kommt auch die Klassifizierung der Gamer als solche. Videospiele sind ein stark interaktives Medium, interaktiver als Filme oder Bücher. Ähnlich wie diese, möchten Videospiele den Rezipienten aber in die eigene Welt führen. Diese Welten sind oftmals fantastisch, sie enthalten Magie, Fabelwesen oder „Science Fiction“, welche „Star Trek“ wie ein Lehrbuch aussehen lässt. Durch die Interaktivität und Konnektivität vieler solcher Spiele, kann man Gamer bemerken, welche die Aspekte selbiger mit ihren Freunden diskutieren. Sie fragen sich offen ob man schon die „Male des Kaiserreichs“ im „Verließ des Weißgoldturms“ gefunden habe und wie man am besten die „zweite Phase“ des „mächtigen Chudan“ übersteht (aus: „Elder Scrolls Online“). Für Außenstehende mag dies stark befremdlich wirken, fast als ob Gamer in ihrer eigenen kleinen Welt leben würden. Gamer betrachten dies jedoch eher als eine Art „Hobbyaustausch“, als würden Sportler über Spielzüge reden, oder sich bei Techniken gegenseitig helfen, und dieses Verhalten wird nicht als „nerdig“ betrachtet. Gaming wird also negativ dargestellt, lediglich aufgrund des Bezugsthemas, Fantasie.
Kommen wir nun zur Lieblingsannahme der Gesellschaft: der Gamer als Amokläufer.
Diese Annahme wird oft auf den Kontext und die graphische Darstellung der Videospiele zurückgeführt. Da Spiele interaktiv, graphisch und fiktiv sind ist es logisch, dass es auch Spiele gibt, welche sich mit Themen wie Krieg, oder einer Zombieapokalypse beschäftigen. In solchen spielen ist es dann von Haus aus unausweichlich, dass man die menschlichen oder untoten Gegner erschießt, ersticht oder erschlägt. Die graphische Darstellung reicht dabei, aus heutiger Sicht, von lachhaft, wie im Falle des 1994er „Doom“ „Pixelbreis“, bis hin zum brutalen Abtrennen von Gliedmaßen in „Dead Island“. Diese Mechaniken sind allerdings nicht die Kernmechanik der Spiele, sie dienen lediglich zur Immersion. Wenn Gamer der Brutalität eines Spiels ein Problem haben, dann spielen sie es nicht oder sie reißen sich zusammen. Hierzu wird häufig auch angemerkt, dass solche Spiele in den Händen von Kindern landen. Ja, Gaming ist ein Hobby welches gerne von Kindern ausgeführt wird, aber hier in Deutschland, sowie in jeden anderen zivilisierten Land der Erde und Amerika gibt es Systeme wie die „FSK“ oder „PEGI“. Spiele werden mit einer Altersklassifizierung versehen, welche ihrem Inhalt entspricht. „Super Mario“ darf jeder spielen, Battlefield nicht. Aus eigener Erfahrung und Studien ist allerdings erkennbar, dass viele Minderjährige in den Besitz von Spielen kommen, welche sie dem nach nicht spielen sollten. Das ist jedoch weniger ein Problem der Gamer als solches oder der Spieleindustrie und mehr ein Problem der Erziehungsberechtigten welche demnach grob fahrlässig handeln wenn sie ihrem zwölfjährigen Kind „Far Cry“ zu Weihnachten schenken. Und selbst dann gibt es eine weitere massive Diskrepanz. Die Frage ob Videospiele überhaupt Gewalt fördern. Es gibt, meines Wissensstandes nach, keine einzige wissenschaftlich anerkannte Studie, welche eine Verbindung zwischen Gewalt in Gaming und der Realität vermuten lässt, geschweige denn beweist. Gamer sind in der Lage, wie jeder andere psychisch gesunde Mensch auch, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden. Die Notion, dass es sich bei Gamern um „Amokläufern in Ausbildung“ handelt wurde dadurch geschürt, dass in den Medien vor allem nach den Verbrechen von Colombine und Winnenden die Gamingaktivität der Täter dargestellt wurde. Es wird also die Behauptung aufgestellt, das Gaming Amokläufer hervorbringt, da die hauptsächlich männlichen Amokläufer oft Videospiele spielen. Wie in etwa fast zwei Drittel ihrer Altersgenossen (siehe. KIM Studie 2020). Es wird Korrelation mit Kausalität verwechselt, man könnte dieses atypische Verhalten mit wissenschaftlich belegten Faktoren begründen, welche auch bei den Tätern gegeben waren, extensives Mobbing zum Beispiel.
Gaming wird als solches schon seit es in den Kinderschuhen steckt negativ dargestellt und zum Feind gemacht. In den vergangenen Jahren begann sich diese Tendenz allerdings, wie bei den vorangegangenen Medien auch, sich zu legen. Wo Gamer früher das Ziel extensiver Anfeindung, zum Beispiel in Klassenverband waren, sind sie heute akzeptiert, wenn nicht sogar teils schon eine Norm.