Fomo – Fear of missing out

Meike Jungmann

Mit dem Akronym „FOMO“ (Fear of missing out) wird genau jene Angst benannt, die sich mit jeder Aktualisierung unseres Instagramfeeds langsam in uns ausbreitet. Die Angst etwas zu verpassen ist dabei jedoch kein Phänomen, welches es erst seit dem Aufkommen der sozialen Medien gibt.

Fomo – Fear of missing out
Wie die sozialen Medien eine Angst schüren, die so alt wie die Menschheit ist und wie eine Pandemie mal kurz auf den Pausenknopf drückt.

Yolo. Ungefähr seit 2011 ist diese Abkürzung ( You only live once) fester Bestandteil der Jungendsprache und steht dafür, keine Chance auszulassen um Spaß zu haben und eventuelle Konsequenzen auszublenden. Doch was passiert mit uns, wenn wir von einer Flut an Chancen überrannt werden und vermeintlich zu jeder Sekunde mit der Möglichkeit konfrontiert sind, die aufregendsten Erfahrungen zu sammeln? Wie fühlen wir uns, wenn wir an einem Samstagabend alleine auf dem Sofa vor einer Tiefkühlpizza sitzen und dafür sorgen, dass sich die knapp 10 Euro für unseren Netflix-Account diesen Monat so richtig lohnen? Die Antwort auf diese Fragen liefert oftmals der Blick auf das Smartphone. Auch wenn es schon ein fester Bestandteil unseres Alltags geworden ist, voyeuristisch die Leben unser Arbeitskollegen, Freunde und Fremder zu beobachten und zu bewerten, trifft uns an diesem Samstagabend besonders, was wir da sehen. Unsere Freunde sitzen gemütlich zusammen in diesem angesagten Restaurant und stoßen mit Prosecco an, sogar die Arbeitskollegen nutzen den freien Abend um einen Spieleabend zu veranstalten und Influencer XY liegt mit seinem/ihrem Traumkörper, mit seinem /ihrem Traumpartner am Traumstrand im Traumurlaub.

Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns nach diesen Eindrücken entspannt auf unserem Sofa zurücklehnen und zufrieden unsere Tiefkühlpizza genießen, ist relativ gering. Dies zumindest scheint ein Team englischer und amerikanischer Psychologen um Andrew Przybylski herausgefunden zu haben. Mit dem Akronym „FOMO“ (Fear of missing out) wird genau jene Angst benannt, die sich mit jeder Aktualisierung unseres Instagramfeeds langsam in uns ausbreitet. Die Angst etwas zu verpassen ist dabei jedoch kein Phänomen, welches es erst seit dem Aufkommen der sozialen Medien gibt, es ist dadurch jedoch zu einem besonderen Phänomen bei jüngeren Nutzern geworden. Diese Angst etwas zu verpassen ist so alt wie die Gesellschaft. Der Mensch gilt als soziales Wesen, welches sich seit jeher in Gruppen organisiert, von welchen er jedoch nur zeitweise umgeben ist. Gerade diese Gruppenmomente, in denen wir als Mitglieder abwesend sind, scheinen die Momente zu sein, in denen wir das Gefühl haben Möglichkeiten, um Erfahrungen zu sammeln, zu verpassen.

Die Sozialen Medien haben sich in den letzten Jahren immer stärker dazu entwickelt, das Bedürfnis des Beobachtens und Vergleichens mit anderen zu befriedigen. Die Möglichkeiten Fotos zu posten, und somit als aktiver Nutzer selbst die Macht darüber zu haben, dass auch nur positive Erfahrungen geteilt werden, wurde durch die Story-Funktionen nochmals durch einen Livecharakter erweitert. Es ist also aus der Perspektive unseres -alleine auf der Couch sitzenden Ichs- möglich, live mit zu verfolgen welche tollen Erfahrungen andere gerade sammeln und welche Events wir dabei gerade verpassen. Erfahrungen beschränken sich hierbei oftmals nicht nur auf Gruppenaktivitäten. Auch die ständige Konfrontation mit scheinbar perfekten Leben, perfektem Essen und perfekten Körpern löst in uns negative Gefühle und Ängste aus und wirkt sich nachweislich auf unsere eigene Nutzung der sozialen Medien aus. „FOMO“ ist rückzuführen auf einige sozialpsychologische Phänomene und Theorien, so auch die Selbstbestimmungstheorie. Diese geht von drei kulturübergreifenden psychologischen Grundbedürfnissen von Menschen aus, deren Befriedigung für effektives Handeln und psychische Gesundheit von Bedeutung sind. Neben den Bedürfnissen nach Kompetenz und Autonomie fällt beim Thema „FOMO“ deutlich das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit ins Auge. Durch die beschriebenen Inhalte der sozialen Medien fühlen wir uns eben weniger sozial eingebunden, was sich auf unser psychisches Wohlbefinden auswirkt und eventuell in Angst resultiert. Doch wie gehen wir mit diesen Gefühlen um? Bleiben wir alleine auf unserem Sofa vor unser Pizza sitzen und halten diese negativen Gefühle einfach aus oder finden wir eine Möglichkeit „mitzuhalten“? An dieser Stelle kommt das Bedürfnis der Kompetenz ins Spiel, welches (übertragen auf FOMO) von uns verlangt, uns auch selbst als effektiv handelnd zu präsentieren. So ertappen wir uns dabei wie Schnappschüsse von uns teilen, wie wir morgens um 7 Uhr frische Tulpen auf dem Markt kaufen oder unser Mittagessen mal wieder kalt geworden ist bis wir das perfekte Foodblogger-Foto für Instagram hinbekommen haben. Und so werden wir selbst ein Teil dieses scheinbar unendlichen Kreislaufes.

Doch wann bietet sich eine Gelegenheit auszubrechen? Ist es eine Sache des Alters und somit auch an die Medien gebunden die wir nutzen? Nachweislich sind vor allem die sogenannten Digital Natives von FOMO betroffen. Wenn wir mit digitalen Medien aufgewachsen sind, sollte jetzt die Zeit sein in der wir uns potenziell im Sog der Social Media- Welten befinden und womöglich (auch wenn wir es vielleicht noch nie so genannt haben) von FOMO betroffen sind.

Und dann kam Corona. Eine weltweite Pandemie hat dazu geführt, dass fast auf der ganzen Welt alle Menschen täglich so ziemlich das Gleiche tun. Das öffentliche und soziale Leben machte eine Pause und so war auch FOMO kurz auf Eis gelegt. Die Menschen sind Zuhause, renovieren, kochen und räumen Schubladen auf. Zwar finden sich noch immer vereinzelt ein paar Selbstoptimierer die mit „quarantine-workouts“ und perfekt gebackenem Bananenbrot den Instagram – Perfektionismus aufrecht erhalten, doch der Blick in die so herrlich normalen und langweiligen Wohnzimmer der anderen hat doch das ein oder andere Mal dafür gesorgt, dass wir uns entspannt alleine auf unserem Sofa zurück gelehnt haben und unsere Tiefkühlpizza genossen haben.