Live the moment

Nick-Alex Kröger

Ich empfinde, dass es keine Person gibt, mit der ich so viel Zeit verbringe wie mit meinem Handy. Und genau während ich das schreibe merke ich, dass ich das eigentlich überhaupt nicht möchte. Ich denke, dass es vielen jungen Menschen genauso geht.

Es ist normal geworden und jeder kennt es. Wir sind auf einem Konzert und gerade wenn das passiert, worauf wir mit großer Vorfreude hingefiebert haben, holen wir erstmal unser Handy aus der Tasche und wollen diesen Moment für immer festhalten. Aber halten wir den Moment fest oder verpassen wir den Moment?

Nicht nur bei Konzerten, auch bei zahlreichen anderen Momenten in unserem Leben handeln wir genauso. Unser Handy, unser digitales Gedächtnis, soll die tollen Momente mitbekommen, damit wir sie im Nachhinein nochmal nacherleben können. Persönlich geht es mir so, dass Fotos und Videos schöne Erinnerungen hervorrufen können, aber nie das gleiche Gefühl ausdrücken können wie der echte Moment. Dieses Thema beschäftigt mich schon ein bisschen länger und ich frage mich oft, ob es nur mir so geht. Ich hörte im Auto den Song ,,Rennen‘‘ von dem Künstler Cro. In diesem Song wird diese ,,Problematik‘‘ aus meiner Sicht sehr gut beschrieben:

„So viele suchen jeden Tag nur Gänsehautmomente
Doch wenn sie es bemerken ist es längst wieder zuende
Doch wenn man ihn erwischt dann wird er fotografiert
auf Instagram gepostet und sofort kommentiert
Das Leben zieht an dir vorbei auf der Jagd nach Likes
Und der Ghettoblaster spielt noch „It’s A Hard Knock Life““

Klar ist, dass man über so individuelle Empfindungen nicht oder nur sehr begrenzt urteilen kann. Auffällig ist, dass die Fotos und Videos von tollen Momenten, wie von einem Konzert, sehr viel in sozialen Medien geteilt werden. Jeder soll und kann daran teilhaben. Medien können solche Momente speichern und jederzeit wieder abspielen. Das ist eine große technische Möglichkeit, die die Generationen vor uns nicht hatten. Auf Fotos und Videos wirken diese Momente aus meiner Sicht wie eine ,,light Version‘‘. Irgendetwas fehlt da noch. Es ist dann auch meist nicht so, dass die Gefühle und Emotionen, die in dem Augenblick entstehen, erneut hochkommen. Verpassen wir so den Moment oder verewigen wir diesen Moment? Diese Frage sollte jeder für sich selbst beantworten.

Die Aufnahme von Fotos und Videos lässt sich oft auf sozialen Medien wiederfinden. Soziale Medien sind für uns wie ein persönliches Museum. Wir stellen Momente, Erlebnisse, Erfolge und Ereignisse, die uns bewegen oder faszinieren, aus. Wer für unser Museum eine Eintrittskarte bekommt und sich dies angucken kann, können wir zwar selbst festlegen, allerdings haben die meisten ziemlich viele Eintrittskarten verteilt. Die anderen Personen können unsere Beiträge auf den sozialen Medien angucken, bestaunen oder auch deuten. Jeder bestimmt individuell für sich, welche Sachen er ausstellt und welche nicht.

Das Bild wurde während eines Sommerabends an der Elbe aufgenommen. In dieser besonderen Corona bedingten Situation, in der es keine großen Events gibt, werden Momente wie ein schöner Sonnenuntergang an der Elbe umso schöner. Oft wird vergessen, dass es solche Momente und Orte dafür gibt. Oder man nimmt sich nicht die Zeit dafür, diese Momente zu genießen. Auch wenn man Zeit hat, kommt unter anderem durch die ständige Präsenz von Medien keine Langeweile auf. Schöne Orte und Momente bekommen dadurch weniger Aufmerksamkeit. Wenn man sich Zeit nimmt und sich einfach mal hinsetzt und den Moment genießt, freue ich mich persönlich immer, wenn ich dies getan habe. Das Instagrambild auf dem Handy ist fokussiert und schwarzweiß. Schwarzweiß, da meiner Meinung nach der Moment auf Instagram nicht so schön ist wie in der Realität. Fokussiert, weil bei vielen Menschen das Handy eine wichtige Bedeutung auch in solchen Momenten hat.

Medien ermöglichen uns unfassbar viel. Wir können Momente durch Videos nachempfinden, bei denen wir nicht anwesend waren, die teils auf der anderen Seite der Erde stattgefunden haben. Dies ist ein sehr schöner Aspekt an Medien. Persönlich habe ich dennoch einen ganz anderen Bezug zu selbstgedrehten Videos, als zu einem Videos von einem Event, auf dem ich persönlich nicht war. Dieses liegt an der Erinnerung, die wir automatisch damit verbinden. Wir behalten diesen Moment in Erinnerung. Andere können sich durch Videos die Situation besser vorstellen. Ob es ein komplettes Nachempfinden ist, wage ich zu bezweifeln.

Allerdings haben Medien und elektronische Geräte eine unfassbar hohe Präsenz. Ich empfinde, dass es keine Person gibt, mit der ich so viel Zeit verbringe wie mit meinem Handy. Und genau während ich das schreibe merke ich, dass ich das eigentlich überhaupt nicht möchte. Ich denke, dass es vielen jungen Menschen genauso geht.

Was wir für immer bei uns im Gedächtnis behalten, sind Erinnerungen. Erinnerungen an Momente und Erlebnisse, die wir erlebt haben. In diesen Momenten fühlen wir uns oft frei und lebendig. Diese Momente sollten wir genießen! Welche Rolle Medien dabei spielen, sollte jeder für sich selbst entscheiden.