Über (gelungene?) Auszeit vom Alltag und „Digital Detox“

Charlotte Klatt

Es sollte doch ganz oberflächlich betrachtet kein großes Problem darstellen, Laptop, iPad usw. aus der Urlaubszeit zu streichen. Das Berufliche fällt im Normalfall weg, Uni und Schularbeiten in der Regel ebenfalls. Wozu dann also ein Koffer voller mobiler Endgeräte?

„Oh nein, ich habe mein Ladekabel zu Hause vergessen“ – Was nun? Die 20km zurück in die heimatliche Residenz fahren oder nach der Ankunft direkt in den nächsten Shop eilen? Vermutlich hat doch jeder von uns schon mal so eine Situation erlebt. Auf dem Weg in den Urlaub wird etwas Essentielles vergessen. Doch aus eigener Erfahrung hat sich in den letzten Jahren das „Etwas“ etwas verschoben: Ladekabel und Kopfhörer sind der Standart, in ganz seltenen Fällen ist es auch mal das Smartphone, wobei hier wirklich von einer absoluten Ausnahme die Rede ist, da das genannte Gerät sich meistens eh nah am eigenen Körper befindet oder in Sichtweite liegt. Die Thematik Urlaub und (digitale) Medien mag zu Zeiten von COVID19 etwas fernliegend erscheinen, doch gerade weil die Meisten unter uns mit wehmütigem Herzen auf die gecancelten Pläne für den Sommerurlaub schauen, rückt diese Kombination mehr in den Vordergrund als zunächst vermutet. Folgende Fragen stellen sich erst einmal:

Wann habe ich zuletzt Urlaub gemacht?
Was ist Urlaub heutzutage eigentlich?

Was bedeuten Urlaub, Ferien, Freizeit für einen selbst wirklich? Wann kann man von gelungen sprechen? Aspekte wie beispielsweise Entspannung, Durchatmen und Abstand vom Alltag würden dem Ganzen vermutlich schon mal einen guten Rahmen geben. Natürlich gibt es mannigfaltige
Möglichkeiten seine freie Zeit im Jahr zu genießen, da soll auch ein Abenteuer-Trip nicht unerwähnt bleiben. Doch gerade in schnelllebigen Zeiten wie diesen sehnt man sich erfahrungsgemäß doch oftmals nach dem eben Aufgezählten.

Auffallender Weise wird heutzutage doch noch etwas anderes mit dem Reisen verbunden: Das Hochladen von Fotos auf Instagram, Facebook und Co., das Posten seines Standortes, um zu zeigen, dass man tatsächlich am Mittelmeer ist bzw. war. Das Vergleichen untereinander und der daraus resultierende soziale Druck scheint in Zeiten der Digital Media größer denn je zu sein. Das „Immer-erreichbar-sein“ hat sich in vielen Haushalten auch auf Ausflüge mit der Familie ausgeweitet. Die Rede ist hier also nicht mehr nur vom alltäglichen Frühstück in Begleitung des Handys, das Smartphone ist auch auf der Sonnenliege in Spanien oder Italien meist nicht weit. Wie entspannt ist Urlaub heutzutage also wirklich noch?

Mal wirklich nichts zu machen scheint vor allem durch die Ablenkung durch Digitale Medien zu einer immer größeren Herausforderung geworden zu sein: Wie oft schauen wir aufs Handy? Sind es 10 Mal? 50 Mal? 150 Mal? Die meisten Personen, denen man diese Frage stellen würde,
könnten vermutlich erst einmal keine Antwort darauf finden. Egal ob man regelmäßig auf Youtube unterwegs ist, Artikel auf Nachrichtenwebsites liest oder Emails beantwortet – Kaum jemand hat doch wirklich ein Gefühl dafür, wie lang oder oft man Zeit am Smartphone verbringt oder? Aber
kann man sich nicht, indem man z.B abends direkt vor dem Schlafengehen auf die Nutzung Digitaler Medien verzichtet, bewusst eine Pause vom Alltag und einen Moment der Ruhe schaffen? Und noch einen Schritt weiter: Wer hat es schon mal versucht – Einen ganzen Tag ohne Handynutzung?

Warum fällt es sogar auf Reisen vielen Leuten schwer auf Mobiltelefon, iPad etc. zu verzichten?

Es sollte doch ganz oberflächlich betrachtet kein großes Problem darstellen, Laptop, iPad usw. aus der Urlaubszeit zu streichen. Das Berufliche fällt im Normalfall weg, Uni und Schularbeiten in der Regel ebenfalls. Wozu dann also ein Koffer voller mobiler Endgeräte? Zum Einen wird es vielleicht wirklich die Langeweile sein, gerade auf jüngere Generationen bezogen, und die Unfähigkeit sich selbst zu beschäftigen ohne Smartphone etc.. Zum Anderen ist es erfahrungsgemäß auch einfacher sich von lustigen Videos oder Fotos beschallen zu lassen anstatt sich der Ruhe auszusetzen und mal
nur sich selbst zuzuhören (Ganz zu schweigen von Aspekten wie z.B. einer regelrechten Abhängigkeit digitaler Medien, denn die Gewohnheit ist prägend).

Dazu kommt aber eben auch der bereits erwähnte soziale Druck, der sich durch Social Media wie Instagram oder Snapchat besonders verstärkt hat. Wie stelle ich mich vorteilhaft dar? Je exotischer die Reise desto besser. Oder der Gegentrend: Das bodenständige Campen mit dem Fokus auf Authentizität – natürlich mit dem Smartphone dokumentiert. Gegen das Posten also das „Online-Zeigen“ von Urlaubsbildern ist meiner Meinung nach erst einmal nichts einzuwenden, es ist praktisch und man kann seinen Freunden Impressionen zeigen. Bei manchen Instagramprofilen kommt mir jedoch die Frage auf, ob die Person überhaupt etwas anderes gemacht hat als alles zu Fotografieren und anschließend direkt die Bilder zu bearbeiten? Wo ist da bei der ganzen Ablenkung der Urlaub im „ursprünglichen Sinne“ (..) zu finden?

Unter dem sogenannten „Digital Detox“, ein fortlaufender Trend, lassen sich eine Vielzahl von Tipps und Tricks finden, die helfen sollen eine Pause vom Internet oder auch der ständigen Handynutzung zu machen (vgl. Hummel, Thomas (2017). Wortwörtlich beschreibt dies die Entgiftung von Digitalem bzw. digitalen Medien. Erschreckend oder belustigend? Denn
normalerweise kennen wir den Begriff „Detox“ von Schlankheitskuren, Diäten oder Ernährungsumstellung.

Und vielleicht ist dies das Stichwort: Etwas, was so wichtig ist wie die Ernährung, verändern und den Körper entgiften. Dies im Alltag durchzusetzen oder erst einmal einen Selbstversuch zu starten ist vermutlich der wichtigste Schritt, auch im Hinblick auf zukünftige Reisen und die eigene Umsetzung von Entspannung. Was kann Schlimmes passieren wenn man in den Ferien beispielsweise seine Internetnutzung einschränkt oder mal ein paar Tage ganz verzichtet?

Wann also habe ich das letzte Mal wirklich Urlaub gemacht?
Wann habe ich zuletzt…
.. Eine Woche Entspannung gehabt ohne ständig auf dem neusten Stand bleiben zu müssen?
.. Eine Reise gemacht, bei der nicht jeder durch Facebook & Co mitlaufen kann?
.. Die ständige Erreichbarkeit abgeschaltet?
.. Eine Pause von Digitalen Medien eingelegt, vom Alltag?

Keine Frage, es gibt auch eine Menge Vorteile der Digitalen Medien, auch auf Reisen. Neben dem Verschicken von Urlaubsbildern ist beispielsweise ein generelles Erreichbar-Sein auch nicht nur nachteilig, vielleicht sogar wichtig. Der ständige Blick in Emails, WhatsApp oder Instagram ist meiner Meinung nach jedoch nicht der Weg zur erfolgreichen, entspannten Auszeit vom Alltag. Auch Netflix muss nicht an jedem Abend der Familien-Unternehmung auf dem Laptop geöffnet sein. Denn verpasst man dadurch nicht all die schönen Momente und das Reisen an sich wenn man wie selbstverständlich einem digitalen Endgerät seine Aufmerksamkeit schenkt?

Und deshalb rate ich jedem zum Selbstversuch: Schaltet im wahrsten Sinne mal ab und vor allem lasst Euren Laptop, das iPad und die Vielzahl an Ladekabeln und Co. zu Hause.

Literaturverzeichnis:

Hummel, Thomas (2017): Digital Detox. Sieben Tipps zur digitalen Entgiftung. In: Süddeutsche Zeitung, unter: https://www.sueddeutsche.de/leben/digital-detox-sieben-tipps-zur-digitalenentgiftung-
1.3754567 (Zuletzt aufgerufen am 21.06.2020).