Cathrin Zumhasch
Ich, Objekt
Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren sehr schnell entwickelt. Ein kleines Gerät. Plastik, Edelmetall, etwas Glas. Ein kleines Gerät ohne welches die meisten von uns nicht mehr wirklich leben könnten: das Smartphone. Es ist so klein und doch so hilfreich. Wir nutzen es mittlerweile jeden Tag und mit jeder neuen App werden uns weitere Aufgabe abgenommen. Es hat unser Leben revolutioniert und es entwickelt sich kontinuierlich weiter. Neue Funktionen, Apps, verbesserte Kameras, bessere Grafik. Das Handy übernimmt immer mehr unser Denken und unser Handeln.
Nicht wir wissen mehr den Weg nach Hause, unser Handy weiß ihn.
Nicht mehr wir haben unser Geld im Portemonnaie, unser Handy hat unser Geld.
Nicht mehr wir haben unser Ticket in der hand, unser Handy hält es.
Nicht mehr wir schauen in den Spiegel, unser Handy schaut uns an.
Nicht mehr wir suchen unseren perfekten PartnerIn, unser Handy sucht Sie/Ihn.
Ich habe eine Auflistung erstellt mit den Aufgaben, die mein Handy von morgens bis abends für mich übernimmt:
Es weckt mich
Es sagt mir wie das Wetter ist
Es biete mir die Platform um Nachrichten von FreundInnen und Familie zu empfangen und zu senden
Es ermöglicht mir die Kommunikation mit meinem Freund
Es gibt mir den Zugang zu Uni Unterlagen und ermöglicht mir die Kommunikation mit
KommilitonInnen und DozentInnen
Es zeigt mir was aktuell in der Welt passiert
Es zeigt mir was meine FreundInnen aktuell unternehmen und veröffentlichen
Es lässt mich Fotos und Videos machen
Es navigiert
Es zählt meine Schritte
Es ermöglicht mir das Verfolgen meiner Periode verfolgen und sagt mir, wie es mir möglicherweise heute gehen könnte
Es ermöglicht mir meine Eltern anzurufen
Es lehrt mir Atemtechniken
Es lenkt mich ab
Es bringt mir neuen Sprachen bei
Es lässt mich Tickets kaufen
Es zeigt mir wie ich gerade aussehe
Es hilft mir Geld zu verdienen
Es zeigt mir tolle neue Rezepte
Es ermöglicht mir den Kauf von Dingen
Es bestellt mein Essen
Es bezahlt
Es verwaltet meine Versicherungen
Es spielt Musik für mich
Es spendet Licht
Es hilft mir eine neue Wohnung zu finden
Es hilft mir mit einem Podcast besser einzuschlafen
Es, also das Handy, begleitet mich den ganzen Tag über. Von morgens bis abends. Es hält mich. Wir brauchen nicht mehr alle möglichen Geräte, wir brauchen zum Teil nicht einmal mehr unseren eigenen Körper oder unsere eigene Stimme. Wir nutzen nun unsere Handys, sogar um eine Vielzahl grundlegender menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen.
Wir fotografieren uns selbst, jeden Tag und hoffen, dass wir unseren eigenen Ansprüchen genügen; und natürlich denen der anderen. Wir bearbeiten uns, schneiden uns aus, wir erstellen unsere eigenen virtuellen Ichs, wir betrachten uns. Kritisch. Wir vergleichen uns selbst mit anderen Menschen nach dem Aussehen, nach FollowerInnenanzahl, nach Wert. Aber wie wichtig ist es noch, wer wir wirklich sind? Wir können uns verstecken hinter unseren kleinen Geräten, zeigen uns auf den sozialen Medien mit Filtern und kreieren eine bessere Version unserer selbst. Wer wir tatsächlich sind, wissen wir nicht mehr, wir definieren uns darüber wie viele Follower wir haben und wie viele Likes unser letztes Foto erhalten hat. Wir Objektivieren uns selbst.
Selbstobjektivierung bedeutet, dass wir uns selbst immer weniger mehr als menschliches Wesen betrachten und zusehend mehr als Objekt. Wir als Menschen rücken immer weiter in den Hintergrund. Wird das Handy also zum Subjekt, während wir als Menschen zum Objekt werden? Es fühlt sich manchmal so an, als würden wir nicht mehr das Handy in der Hand halten, sondern als würde das Handy uns festhalten müssen…