Leben im Moment

Ronja Porwitzki

„Wenn ich morgen früh wach werde und in meine Galerie schaue, werde ich mich an das Konzert erinnern!“. In dem letzten Monat war ich auf 4 Konzerten. Immer wieder ist mir dasselbe aufgefallen: Dauerhaft habe ich Handys von verschiedenen Menschen vor dem Gesicht. Später ist mir aufgefallen, dass ich mein Handy doch auch ziemlich oft aus meiner Tasche zücke und Videos mache. Mit der Digitalisierung drücken wir nun auch unsere Begeisterung und Verbindung zu der Musik mithilfe der Aufnahmen während eines Konzerts aus. 

Es scheint komisch zu sein, wie die Gesellschaft ihre Expressionen durch Medien ausdrückt. Anstatt den Moment zu genießen, kleben wir wortwörtlich an den Smartphones und verfolgen das Konzert durch diese. Wird dies detaillierter betrachtet, so zeigt sich, was hinter den ganzen Aufnahmen steckt und welche Gründe dieses Verhalten hervorrufen.

Das Filmen von Konzerten beeinträchtigt unsere reale Wahrnehmung. Durch die Smartphones verfolgen wir das Konzert statt real, durch einen kleinen Bildschirm, der uns nicht die Möglichkeit gibt, die Live-Erfahrung wahrzunehmen. Indem wir versuchen, das Bild zu schießen, bei dem die singende Person gerade herschaut, entgeht womöglich der „rührende“ Augenblick selbst. Der Zugang und die Aufnahme verschiedener Emotionen, Gesichtsausdrücke der Konzertgeber*innen,  Energien, sowie der Kontakt zu den anderen Fans bleibt verborgen. 

Jedoch ergibt sich aus einer anderen Perspektive eine Erklärung für das Filmen von Konzerten. Der Wunsch den Moment festzuhalten ist ausschlaggebender Punkt für viele Menschen. Das Erlebte, die Erinnerungen selbst Revue passieren zu lassen kann dazu beitragen die gefühlten Emotionen in verschiedenen Momenten nochmal erleben und fühlen zu können. Die Musik, das Klima vor Ort wird vom Kopf und den Erinnerungen aufgenommen, wodurch „Glücks“-Hormone (erneut) freigesetzt werden können. 

Ein weiterer Punkt, der das Filmen erklärt, ist die digitalisierte Gesellschaft. Durch die Vernetzung durch die sozialen Medien, die einen präsenten Stadtpunkt in der heutigen Gesellschaft vertritt, verspüren wir das Bedürfnis, „Glücks“-Momente mit verschiedenen „Dritten“ zu teilen. Andere können sehen, wo wir waren und was wir erlebt haben. Zudem ist dadurch gegeben, dass Kontakt aufgenommen werden kann und das andere sich mit denselben Dingen identifizieren können. 

Betrachtet man den Aspekt der Digitalisierung in der Gegenwart, so erklärt sich unser Verhalten auf Konzerten. Es beeinträchtigt unsere reale Wahrnehmung und stört die Live-Erfahrung. Andererseits ist der Aspekt, den Moment festhalten zu wollen, meist wichtiger. Im Grunde kann man die Konzerte auch auf dem Smartphone erneut abspielen und Erinnerungen hervorrufen. Zudem ist das Vernetzen durch die Aufnahmen sehr leicht. „Dritte“ können an dem Augenblick teilhaben und „Glücks“-Momente geteilt werden. Dies zeigt, dass wir unseren Konsum überdenken und genauer beurteilen sollten, ob man in diesem Moment sein Smartphone benötigt oder ob man den Moment als solchen wahrnehmen möchte.