Der Einfluss auf meine Körperhaltung

Clara Quandel

So sehe ich oft aus, wenn ich mich mit meinem Smartphone beschäftige. Die Position ist nicht übertrieben. Es ist eine spannende Erfahrung, mich so fotografieren zu lassen, diese Körperhaltung bewusst einzunehmen, zu wissen, dass andere mich so sehen, und vor allem, mich selbst so zu sehen. Ein in meiner Wahrnehmung hässliches Foto von mir öffentlich zu teilen, ohne ein „Nachherfoto“, das zeigt, wie mein Körper in einer anderen Position aussieht.

Wenn ich sonst so aussehe, bin ich mir dessen nicht bewusst. Bin mir meiner physischen Existenz generell meist nicht bewusst, während ich Mails checke, Videos gucke, mit Freund*innen schreibe, Dinge recherchiere oder meine Wetter-App prüfe. Ich nehme meinen Körper währenddessen nicht wahr, so lange, bis ich bemerke, dass andere Menschen mich angucken, oder bis sich mein Körper in Form von leichten Rückenschmerzen zu Wort meldet. Dann setze oder stelle ich mich gerader hin und beginne fast sofort wieder damit, langsam in mich zusammenzusacken.
Als ich nach einer Idee für ein Foto, das einen Zusammenhang von Gesellschaft und Medien zeigt, nachgedacht habe, ist mir dieser – im Seminar noch nicht thematisierte – Aspekt eingefallen, und ich will mit diesem Foto versuchen zu zeigen, wie viel Medien mit unserer Körperhaltung und damit auch mit unserer physischen und psychischen Gesundheit machen. Mit Medien meine ich hier keinesfalls nur das Smartphone, auch wenn ich in dem Foto natürlich auf dieses Medium anspiele, aber auch beim Lesen von Buch oder Zeitung, beim Fernsehen oder Tippen auf dem Laptop ist das Phänomen des in-sich-Zusammensackens beobachtbar.  Neben den offensichtlichen Folgen wie Rückenschmerzen oder chronischen Fehlhaltungen finde ich auch die Auswirkungen auf die Psyche sehr interessant.
Unser Körper und unsere Psyche beeinflussen sich wechselseitig. Dass ein Mensch, der sich nicht wohl fühlt, eine andere Körperhaltung und Mimik hat, als ein Mensch, der gerade sehr glücklich und selbstbewusst ist, ist allgemein bekannt, dass das Ganze auch andersherum funktioniert ist wahrscheinlich weniger im allgemeinen Bewusstsein verankert. Wenn wir beispielsweise Lächeln, Hüpfen oder die Arme in die Luft strecken denkt unser Gehirn, es ginge uns gut und schüttet entsprechende Hormone aus, auch wenn wir uns vorher nicht gut gefühlt haben. Es ist also möglich, durch körperliche, unaufwändige Übungen, die eigene Psyche zu beeinflussen. Wer sich für diese Thematik interessiert, dem empfehle ich, zur „Social Embodyment Theory“ zu recherchieren, es würde hier den Rahmen sprengen, näher darauf einzugehen.  Ebenso beeinflussen aber auch eine unaufgerichtete Haltung und ein starrer Blick, wie wir uns fühlen. Wenn unser Körper sich so verhält, wie es unser Hirn mit negativen Emotionen verknüpft, dann schüttet es auch hier entsprechende Botenstoffe aus. Durch unsere Spiegelneuronen beeinflusst unsere Haltung und Mimik auch nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Mitmenschen.
Ich finde es faszinierend, dass uns diese extreme, beispielsweise durch Handys bedingte Körperhaltung auch bei anderen meist gar nicht mehr auffällt und wir erst, wenn wir zum Beispiel in der U-Bahn bewusst darauf achten, sehen, wie viele Menschen ungesund sitzen oder stehen. 
Wie seltsam und unnatürlich diese Haltung ist, fällt auf, wenn das Smartphone durch ein anders assoziiertes Objekt ersetzt wird. Niemand würde eine Pflanze so halten und anschauen, wie ich auf diesem Foto; alles daran wirkt komisch. Aber ersetzt man die Pflanze gedanklich durch ein Handy oder Buch, wirkt das Bild schon weniger befremdlich.
Ich habe mich bei der Wahl des Alternativobjektes bewusst für eine Pflanze entschieden, da Pflanzen allgemein sehr positiv konnotiert sind und ich mit diesem Beitrag zwar auf ein Problem, das im Zusammenhang mit Medien entsteht, aufmerksam machen möchte, es aber keinesfalls meine Intention ist, Smartphones und andere Medien als etwas Schlechtes darzustellen. Sie erleichtern unser alltägliches Leben enorm und sind gerade für meine Generation und die folgenden ein ganz normaler und natürlicher Teil der (Um-)Welt. Auch dies sollen die Pflanze in der Hand und die wild wachsende Pflanze vor mir symbolisieren.

Ich versuche jetzt, dieses unperfekte Foto von mir mit Freundlichkeit zu betrachten und als Anlass zu nehmen, wieder mehr auf das zu hören, worum mein Körper mich bittet. Ich erkenne an, dass es Mut kostet, dieses den Schönheitsidealen und meinem Selbstbild nicht entsprechende Foto zu teilen, und hoffe, dass es den einen oder anderen Menschen dazu anregt, über einen weiteren Aspekt des Zusammenhangs von Gesellschaft und Medien nachzudenken.