Pausiertes Leben

Johannes Hövermann

Ich gehe glücklich vom Einkaufen nach Hause. Heute möchte ich endlich das saftige Zwiebelbrot Brot backen, welches ich kürzlich bei Sophia probiert habe. Der Kassierer beim Rewe wirkte heute nicht sehr glücklich. Bei meinem nächsten Einkauf werde ich ihm, wenn ich dran denke, ein Lächeln schenken.
Ach, heute war doch wirklich mal ein schöner Tag, zwar war es auch anstrengend im Büro, aber nach einem solchen Tag gibt es dann doch nichts Schöneres, als die Tür der Firma zu schließen, den Duft der Natur zu genießen und in der Abendsonne den Heimweg anzutreten. Der neue Kollege scheint sehr nett zu sein. Wie hieß er noch gleich, ja genau, Moritz. Vielleicht lade ich ihn nächste Woche mal auf ein Feierabendbier ein.
So, jetzt aber erstmal auspacken und das Eis in den Tiefkühler legen, bevor es mir komplett wegschmilzt.
Oh, wie lieb, Tobias hat den Abwasch von gestern schon für mich erledigt, Hammer Typ!
Gut, alle Einkäufe verräumt, Zwiebelbrot let’s go! Ob ich das wohl auch so gut schaffe wie Sophia?! Naja, Probieren geht über Studieren.
Ah, morgen hat ja meine Schwester Geburtstag, hätte ich fast vergessen. Wie sinnvoll doch Kochen ist, da fällt mir fast immer irgendwas Wichtiges ein, was ich sonst vergessen hätte.
Erstmal Lüften, meine Augen tränen schon wieder heftig von den Zwiebeln.
Wie schön die Vögel heute singen, ich liebe das!
„Ja Tobi, ich bin wieder da, und danke fürs Abwaschen.“ Kann er nicht einfach herkommen, wenn er reden will, immer müssen wir uns quer durch die WG unterhalten. Aber heute mal kein Streit, schließlich hat er abgewaschen.
So, jetzt nur noch das Brot in den Ofen schieben und dann mache ich mir einen gemütlichen Abend. Ich hätte echt Lust, wieder einmal de…


…als plötzlich das Handy in der Hosentasche vibriert…

Was macht das mit unserer Gesellschaft, wenn uns schon eine Vibration komplett aus dem Alltag reißen kann? Eben noch stand man voll im Leben, hat den Tag Revue passieren lassen, den Duft von frischem Gebäck genossen, oder sich an der Unbeschwertheit spielender Kinder erfreut.
Doch dann kommt da dieses Geräusch, diese Vibration, die alles verändert. Das Leben und alle Eindrücke, die man vorher so genossen hatte, verschwinden schlagartig. Man nimmt es schlicht nicht mehr wahr. Es wird schwarz. Alle Gedanken und Aufmerksamkeit richten sich auf den Bildschirm des Handys. Das Leben steht auf einmal still und ein anderes Leben, ein digitales Leben erwacht.
Wo das Problem liegt?
Spätestens, wenn ich einen Freund fünfmal laut ansprechen muss, bis er wahrnimmt, dass ich mit ihm rede und sein Blick von seinem Handy wenden kann, wird mir bewusst, dass ich so nicht Leben möchte. Oder wenn ich ein Mädchen sehe, welches auf dem Spielplatz ihren ersten Radschlag geschafft hat, sich stolz und glücklich lächelnd zu ihrem Vater wendet, dieser jedoch nur auf sein Handy starrt. Möchten wir das wirklich?
Was machen wir als Gesellschaft aus diesem Phänomen? Finden wir uns damit ab? Oder entscheiden wir uns, etwas anders zu machen, damit die Welt um uns herum lebendig bleibt und nicht zu einem toten schwarze Raum verkommt, sobald wir das Handy in die Hand nehmen.