Rosa Christe
Bildschirmzeit: 10 Stunden und 6 Minuten. Soziale Netzwerke: 8 Stunden und 8 Minuten. Unterhaltung: 13 Minuten. Produktivität und Finanzen: 12 Minuten.
Um 8:30 Uhr klingelt mein Wecker. Ich greife nach meinem Handy und versuche schnell, ihn zum Verstummen zu bringen. Nochmal 15 Minuten snoozen. Der Wecker klingelt erneut, ich schalte ihn ab und entsperre mein Handy. Als erstes checke ich WhatsApp, sehe mir neue Bilder vom Wochenende an und beantworte ein paar Nachrichten. Danach öffne ich Instagram und aktualisiere meinen Feed. Ich sehe Selfies von Freunden in Bildersammlungen mit ästhetischen Fotos und frage mich wie immer, wo und warum sie so viele spannende Erlebnisse haben. Außerdem sehe ich Stories von Influencern, die gerade ihre Smoothie Bowls zubereiten und ihren Iced Coffee trinken, nachdem sie ihr morgendliches Workout absolviert haben. Für mich gibt es gleich erstmal Kaffee im Bett, während ich weiter auf meinem Handy scrolle. Als ich bemerke, dass es keine neuen Beiträge mehr in meinem Feed gibt, schließe ich Instagram. Anschließend öffne ich TikTok und schaue mir irgendwelche Rezeptvideos an, die ich speichere, aber wahrscheinlich niemals nachmachen werde.
Während ich immer noch im Bett liege, erhalte ich die Benachrichtigung, dass ich mein Zeitlimit von einer Stunde für die Apps TikTok und Instagram bereits überschritten habe. Wie jeden Tag klicke ich auf „Heute Zeitlimit ignorieren“ und setze mein Scrollen fort. Den Uni-Alltag überstehe ich nur, wenn ich zwischendurch Social-Media-Pausen einlege und auf Instagram die neuesten Ereignisse von irgendwelchen Stars verfolge.
Langsam wird es Zeit, aufzustehen und mich fertigzumachen. Während ich meine Zähne putze, bin ich immer noch auf TikTok und lege mein Handy mit laufendem Video neben mich, um es während des Ausspülens meines Mundes und des Waschens meines Gesichts weiterlaufen zu lassen. Ich trockne mein Gesicht ab, und mittlerweile läuft das Video schon zum siebten Mal. Genervt scrolle ich mit nassen Händen noch ein Video weiter. Auf dem Weg zum Bus höre ich Musik, doch schon nach kurzer Zeit reicht das nicht mehr aus, um mich zu beschäftigen, und ich öffne erneut Instagram, um zu sehen, ob es etwas Neues gibt. Im Bus sitzend überlege ich, ob ich mein Buch lesen oder doch lieber am Handy bleiben soll. Da die Fahrt kurz ist, entscheide ich mich für das Handy und lande wieder auf TikTok. Ich weiß nicht einmal mehr, ob die Videos neu sind oder ob ich sie schon gesehen habe. Heute habe ich schon so viele 30-Sekunden-Videos gesehen.
Nach der Uni treffe ich mich noch mit Freunden, gehe auf den Flohmarkt und dann in eine Bar etwas trinken. Wir dokumentieren fleißig mit Videos und Fotos, um sie später zu posten und allen zu zeigen, wie viel wir unternehmen und welche tollen Sachen wir machen. Aber natürlich posten wir erst später, die Bilder müssen ja noch bearbeitet werden. Das Bedürfnis, unsere Aktivitäten zu dokumentieren und mit anderen zu teilen, scheint fest in unserer Kultur verankert zu sein. Es fühlt sich an, als ob wir unsere Erlebnisse nicht vollständig genießen können, wenn wir sie nicht mit anderen teilen und Likes und Kommentare erhalten.
Abends liege ich wieder in meinem Bett und scrolle erneut durch meine Social-Media-Apps. Dabei spüre ich die Auswirkungen meines Handykonsums. Ich merke, wie sehr ich mich mit anderen vergleiche, die ihr vermeintlich perfektes Leben in den sozialen Medien teilen. Ich merke, wie meine Konzentration nachlässt, wenn ich doch mal ein Buch lese. Ich merke auch, wie viel Zeit ich damit verschwende, wenn ich mir meine Bildschirmzeit anschaue. Ja, klar, ich habe heute viel Zeit mit dem Handy verbracht, das habe ich auch gemerkt. Aber echt? 10 Stunden? Ich schaue auf die Uhr und merke, dass es schon spät ist, 3 Uhr nachts. Und was hält mich wach? Mein Handy und vor allem Social Media. Und ich merke auch, dass ich nicht davon lassen kann. Genau wie ich das Zeitlimit bei Instagram und TikTok ignoriere, ignoriere ich auch die 10 Stunden Bildschirmzeit und vergesse, wie negativ mein Handykonsum mich beeinflusst.
Natürlich gibt es auch andere Tage, an denen meine Bildschirmzeit nicht so hoch ist. Ich benutze mein Handy auch viel zum Telefonieren, zum Erstellen von Listen, zum Beantworten von E-Mails und auch zum Arbeiten. Aber es gibt auch Tage wie diese, und ich merke, dass es vielen in meinem Umkreis genauso geht. Ich habe unglaublich viel zu tun, aber flüchte lieber in die Welt meines Smartphones. In die Welt von anderen und perfektioniere immer mehr mein eigenes Online-Bild. Meistens schaffe ich es, mein Verhalten am Ende des Tages zu reflektieren, und lasse mein Handy auch immer öfter zu Hause.
Wir alle wissen, dass es ein Problem unserer Gesellschaft ist, insbesondere unserer Generation. Wir müssen daran arbeiten, und es bedarf mehr Aufklärung und Medienpädagogik, insbesondere schon im jungen Alter, um solche Suchtverhalten zu vermeiden. Auch ich weiß, dass ich an mir arbeiten muss, und das tue ich auch immer wieder. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit werde ich nächste Woche oder vielleicht auch erst in zwei Wochen wieder einen Tag haben, an dem meine Bildschirmzeit bei 10 Stunden oder höher liegt.