Medien im Wandel der Zeit

Kolja Böhme

Im Jahr 1929 wird das Buch Emil und die Detektive von Erich Kästner zum ersten Mal veröffentlicht. In den fast 100 Jahren seit dem Erscheinen sind die verschiedensten Darreichungsformen derselben Geschichte erschienen. So zum Beispiel als Schallplatte und CD, aber auch als Comic und in digitaler Form kann man die Erzählung konsumieren.
Man sieht also, dass derselbe Inhalt niemals nur auf ein Medium beschränkt sein muss. Dieser Ablauf ist charakteristisch für die Weiterentwicklung der Medienwelt. Doch welche Voraussetzungen müssen für eine solche Entwicklung gegeben sein?
Die erste ersichtliche Voraussetzung ist der technische Fortschritt. Ohne die Entwicklung des Grammophons und der Schallplatte hätte es auch keine Schallplatte zu Emil und die Detektive geben können. Allerdings ist interessant zu beobachten, dass zwar die ersten Schallplatten im späten 19. Jahrhundert entwickelt wurden, man aber erst in den 1950er Jahren Hörbücher auf diesen erwerben konnte. Das heißt also, dass technischer Fortschritt allein nicht reicht, um eine neue Darreichungsform zu etablieren. Als weitere Voraussetzung lässt sich meiner Meinung nach der Zeitgeist anführen. In der Gesellschaft muss zum einen die Bereitschaft vorhanden sein, ein neues Medium anzunehmen, zum anderen müssen die Menschen einen Nutzen darin sehen. Bei den ersten Lesungen auf Schallplatten bestand der Nutzen offensichtlich darin, dass man nun nicht mehr am Ort der Autorenlesung anwesend sein musste, sondern sich diese jeder Zeit zuhause anhören konnte. Außerdem profitierten auch Menschen, die nicht gut lesen konnten von den auf Schallplatten aufgenommenen Büchern. Als dritte Voraussetzung muss auch die technische Ausstattung in der Gesellschaft vorhanden sein. Hätten nach dem Zweiten Weltkrieg nicht so viele Deutsche Grammophone besessen, hätte sich das Hörbuch als Medium vermutlich nicht durchgesetzt. Als letzte Vorrausetzung braucht es jetzt nur noch die Vision eines Unternehmers durch die Etablierung dieses neuen Mediums Gewinne erzielen zu können.
Somit ist erkennbar, dass zur Etablierung eines neuen Mediums nicht nur eine Voraussetzung erfüllt sein muss. Deshalb ist es umso erstaunlicher, wie rasant das Tempo der Neuentwicklungen in den letzten Jahrzehnten geworden ist. Wenn man nur auditive Medien betrachtet, wechselte sich die Hauptdarreichungsform mindestens dreimal ab. Nach der Schallplatte kam die Kassette, danach die CD und MP3-Player und inzwischen gibt es auch Streaming-Angebote. Ähnliches kann man bei den visuellen Medien feststellen. Ging man zuerst noch ins Kino, kam später das lineare Fernsehen dazu und dann folgten DVDs und Blu-Ray’s und inzwischen hat sich auch hier die Nutzung von Streaming durchgesetzt. Die einzige einigermaßen sichere Konstante scheint das physische Buch zu sein, obwohl auch hier die Digitalisierung eingesetzt hat.
Wichtig zu erwähnen ist auch die Änderung des Konsumverhaltens durch die Etablierung neuer Darreichungsformen. War früher das Anschauen eines Films im Kino noch ein Event, welches im Voraus geplant werden musste, hat heutzutage die Entscheidung einen sehr viel spontaneren Charakter. Man nutzt einfach den Streamingdienst seiner Wahl. Das führt dazu, dass die Medienlandschaft schnelllebiger wird. Um im Gedächtnis zu bleiben und Aufmerksamkeit zu gewinnen, wird in der Regel nun noch stärker auf Provokation als auf Qualität gesetzt. So stellt sich im Hinblick auf diesen Aspekt die Frage, ob sich Klassiker, wie zum Beispiel Emil und die Detektive, überhaupt noch etablieren können. Oder ist die Medienwelt inzwischen so schnelllebig und unstet, dass so etwas nur noch als glückliche Ausnahme der Ausnahme verstanden werden kann.
Ein finales Fazit will ich auf diese Frage an dieser Stelle nicht ziehen. Allerdings denke ich, dass es immer schwerer für Geschichten werden wird, wirklich über einen längeren Zeitraum im gesellschaftlichen Gedächtnis verankert zu bleiben, um so zu einem Klassiker werden zu können.
Abschließend ist zu sagen, dass die Medienlandschaft immer einem Wandel unterzogen ist und sich immer in irgendeiner Form entwickelt; heute noch viel schneller als früher. Genau deswegen wäre es falsch zu denken, dass die Medien, die es heute gibt, in genau dieser Form längere Zeit bestehen bleiben können. Da Medien auch immer mit Unternehmen verbunden sind, ist der Aspekt des Profits nicht zu vernachlässigen. Deswegen müssen solche Entwicklungen genaustens beobachtet werden. Einem neuen Medium komplett zu vertrauen, ohne zu hinterfragen, was dahintersteht, ist naiv und kann sehr gefährlich sein. Letzten Endes ist die Weiterentwicklung, ob man sie nun gutheißt oder nicht, fester Bestandteil unserer heutigen Medienlandschaft. Somit wird die Entscheidung, welche Medien man nutzt, immer grundsätzlicher und persönlicher. Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass man sich immer wieder kritisch mit ihr auseinandersetzen muss.