„Wow, ist das ein schönes Bild! Die Häuser haben richtig schöne und kräftige Farben und das Wetter ist auch richtig gut. Das scheint ein richtig schöner Ausflug gewesen zu sein“. Genau das könnte man denken, wenn man sich das Bild anschaut. Das Bild zeigt einen Ausschnitt, der vor Farben nur so sprudelt. Alles ist bunt und schön. Die Sonne scheint und es befinden sich kaum Wolken am Himmel. Die Laune ist gut und es wird ein schöner Moment im Urlaub festgehalten und mit anderen in meiner Instagram-Story geteilt.
Warum? Ich möchte doch meinen Freund*innen zeigen, was für eine schöne Zeit ich habe und wie großartig alles ist. Sie müssen nicht wissen, dass der Himmel in Wirklichkeit grau war und dass es vor fünf Minuten noch ganz schrecklich geregnet hatte. Sie müssen nicht wissen, dass ich extra eine Stelle gesucht habe, an der der Himmel nicht voll mit dunklen Regenwolken war. Und sie müssen auch nicht wissen, dass ich das Bild von oben bis unten bearbeitet habe, damit es so schön fröhlich aussieht. Hauptsache, man erkennt nicht, dass es bearbeitet ist.
Instagram zeigt uns nicht immer die Realität. Ob es ein Bild aus dem Urlaub mit malerischen Häusern ist, ein scheinbar gemütlicher Brunch bei der Familie oder ein Selfie, auf dem jemand makellos aussieht. Viele Bilder können so inszeniert werden, dass sie perfekt erscheinen, obwohl sie es in Wirklichkeit nicht sind. Besonders auf Instagram sehen wir oft nur sorgfältig ausgewählte Ausschnitte, die uns gezeigt werden sollen. Diese Ausschnitte verzerren die Realität so sehr, dass man manchmal beginnt, selbst an die eigenen Illusionen zu glauben.
Letztes Jahr erwischte ich mich selbst dabei, wie ich eine falsche Realität mit meinen Instagram-Follower*innen teilte. Meine Familie und ich verbrachten unseren Urlaub in Dänemark, und an einem der Tage machten wir einen Ausflug nach Kopenhagen. Da ich diese Stadt zuvor noch nie besucht hatte, freute ich mich besonders darauf, sie endlich zu erkunden. Doch mein Glück ließ mich im Stich. Das Wetter war an diesem Tag miserabel. Es regnete fast ununterbrochen, der Himmel war von dichten, grauen Wolken bedeckt und die Sonne zeigte sich nur ganz kurz, bevor sie wieder hinter der tristen Wolkendecke verschwand.
Trotz des schlechten Wetters wollte ich unbedingt ein Bild von unserem Kopenhagen- Trip auf Instagram teilen. Natürlich konnte ich nicht zeigen, wie trostlos und regnerisch der Tag wirklich war. Also wartete ich geduldig auf den Moment, in dem sich ein paar Wolken vom Himmel lösten und einen winzigen Blick auf den blauen Himmel freigaben. Als dieser kurze Augenblick endlich kam, zückte ich sofort mein Handy und machte ein paar Fotos.
Nun hatte ich zumindest Bilder, auf denen der Himmel nicht komplett wolkenverhangen war. Doch das Grau und die Unbehaglichkeit der Szenerie waren immer noch sichtbar und so konnte ich die Bilder nicht einfach hochladen. Ich wollte, dass das Bild fröhlich und einladend aussah, sodass meine Follower*innen den Eindruck bekamen, wir hätten einen wundervollen Tag in Kopenhagen verbracht.
Also begann ich, die Fotos zu bearbeiten. Ich erhöhte die Helligkeit und verstärkte die Farben, damit der Himmel strahlend blau aussah. Schließlich hatte ich ein Bild, das genau das vermittelte, was ich wollte – eine fröhliche, sonnige Stimmung. Niemand konnte ahnen, dass der Tag eigentlich grau und regnerisch gewesen war.
Jeder hat die Möglichkeit, die Realität zu verschleiern und andere zu täuschen. Besonders in der heutigen Zeit ist es kinderleicht, ein Bild so zu bearbeiten, dass es fröhlicher und ansprechender wirkt. Wir sollten uns bewusst sein, dass nicht alles, was wir in den sozialen Netzwerken sehen, der Wahrheit entspricht.
Bei der Bearbeitung des Bildes habe ich einen Screenshot meiner Instagram-Story gemacht und es in Photoshop über das Originalbild gelegt. Dabei fiel sofort auf, wie viel farbloser und ungemütlicher das Original im Vergleich zu dem bearbeiteten Bild aussieht, das ich auf Instagram hochgeladen habe.
Ich habe dieses Foto bewusst ausgewählt, weil es die Beziehung zwischen sozialen Netzwerken und der Gesellschaft treffend widerspiegelt. In den sozialen Medien wird vieles idealisiert dargestellt, oft weit entfernt von der Realität. Und das betrifft nicht nur große Bekanntheiten, sondern auch jede x-beliebige Person. Social Media neigt dazu, eine perfekte Welt zu präsentieren, in der alles schöner, bunter und besser erscheint, als es tatsächlich ist.