Orientierungslos(s)

Noch nie war es so einfach, sich zu orientieren wie heutzutage: Egal, ob Urlaub in einem fremdsprachigen Land oder nur der Besuch von Freunden einige Stunden entfernt – nie müssen wir uns darum kümmern, uns vorher die Wege und Verkehrsmittel einzuprägen oder lästige Karten mitzuschleppen. Denn alles lässt sich innerhalb weniger Sekunden im Internet finden. Entweder ganz klassisch über „Google Maps“ oder sogar über spezifische Apps wie die „hvv-App“ für Hamburg und Umgebung.

Die Vorteile lassen sich hier schnell erkennen. Das Risiko, an einem Ort zu landen und nicht zu wissen, wie man zurückfindet oder weiterkommt, existiert quasi nicht mehr. Spontane Ausflüge sind kein Problem, der schnellste Weg für die Hin- und Rückreise wird sofort für uns ermittelt und bei Änderungen können wir uns sogar benachrichtigen lassen. Die Fahrpläne für die öffentlichen Verkehrsmittel müssen wir nicht einmal lesen können – Startpunkt und Ziel reichen, damit uns gesagt werden kann, wie und wann wir umsteigen müssen.

Doch genau hier liegt auch ein Problem: Dadurch, dass uns alles abgenommen wird und wir uns ständig auf unsere elektronischen Helfer verlassen, verlernen wir, wie das Leben ohne mediale Hilfsmittel funktioniert. Selbst in der Heimatstadt, hier am Beispiel von Hamburg, kann es sein, dass man aufgeschmissen ist, sollten die Navigations-Apps oder Webseiten ausfallen. Zwar hängen Karten und Fahrpläne an den Stationen der öffentlichen Verkehrsmittel, aber weiß man heutzutage noch, wo man sich überhaupt auf der Karte befindet, wenn man beispielsweise das erste Mal in einem neuen Stadtteil ist? Wir sehen, wo wir ein- und aussteigen, aber was ist dazwischen? Während wir in U- oder S-Bahn sitzen, wissen wir nicht immer, was sich gerade überhaupt über uns befindet. Einige Strecken sind wir schon mehrfach gefahren, aber haben keine Vorstellung darüber, wie der Weg zu Fuß aussehen würde, an welchen Gebäuden, Läden und Parks wir vorbeilaufen würden.

Dieses Beispiel ist nur eines von vielen. Denn elektronische Medien, insbesondere unsere Smartphones, haben einen enormen Stellenwert in unserem Leben. Häufig denken wir nicht einmal darüber nach, wie wir bestimmte Situationen ohne mediale Hilfe regeln würden. Und es ergibt auch nur Sinn, dass wir diese Hilfestellungen im Alltag nicht hinterfragen – grundsätzlich sind sie verlässlich und in einer so schnelllebigen Welt sind wir auf sie angewiesen. Trotzdem sollten wir häufiger im Alltag reflektieren, warum und wofür wir Medien nutzen. Natürlich sollen wir nicht die vielen Vorteile einbüßen, nur weil wir Angst vor potenziellen Risiken haben. Sich allerdings während des Nutzens über Risiken bewusst zu sein, und ab und zu den „traditionellen“ Weg auszuprobieren, ist ein angemessener Kompromiss gegenüber dem Verbannen jeglicher digitalen Medien.