Pornografie im Kinderzimmer

Annina Tea Bach

Viele Jugendliche sind mit pornografischen Darstellungen konfrontiert, bevor sie ihre ersten sexuellen Erfahrungen machen. Doch stellt der Konsum pornografischer Darstellungen für Heranwachsende eine Gefahr dar? Und wie können Pädagoginnen und Schülerinnen über dieses sensible Thema sprechen?

Pornografie im Kinderzimmer
“HÄNSCHEN RILOW ein Licht in der Hand, verriegelt die Tür hinter sich und öffnet den Deckel. Hast du zu Nacht gebetet, Desdemona? Er zieht eine Reproduktion der Venus von Palma Vecchio aus dem Busen. Du siehst mir nicht nach Vaterunser aus, Holde – kontemplativ des Kommenden gewärtig, wie in dem süßen Augenblick aufkeimender Glückseligkeit, als ich dich bei Jonathan Schlesinger im Schaufenster liegen sah – ebenso berückend noch diese geschmeidigen Glieder, diese sanfte Wölbung der Hüften, diese jugendlich straffen Brüste” (Wedekind, Frank: Frühlingserwachen, 3. Szene, 3. Akt).

Frank Wedekinds Drama Frühlingserwachen setzt sich mit der Entdeckung der eigenen Sexualität auseinander, dies zeigt sich auch in dieser Szene, in welcher der Oberschüler Hänschen Rilow die Venus von Palma Vecchio betrachtet. Wedekinds Drama ist 1891 erschienen, die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität, durch den Konsum erotischer Medien, ist allerdings ein zeitloses Phänomen. Hatten vorangehende Generationen allerdings nur durch Betrachtung von Bildern, oder später, durch studieren des “Dr. Sommer” Teils der Jugendzeitschrift “Bravo” Zugang zu dieser expliziten Art von Medien, so sind pornografische Darstellungen heute jederzeit und für jeden verfügbar.

Viele Jugendliche sind mit pornografischen Darstellungen konfrontiert, bevor sie ihre ersten sexuellen Erfahrungen machen. Doch stellt der Konsum pornografischer Darstellungen für Heranwachsende eine Gefahr dar? Und wie können Pädagoginnen und Schülerinnen über dieses sensible Thema sprechen?

14 Millionen Menschen in Deutschland besuchen regelmäßig pornografische Seiten im Internet, dass sich unter den Nutzern dieser Seiten auch Jugendliche wiederfinden, scheint offensichtlich. Aber obgleich der Konsum pornografischen Materials weit verbreitet ist, stellt er noch immer ein Tabu Thema dar. Auch im Rahmen der sexuellen Aufklärung an Schulen wird das Thema Pornografie häufig außer Acht gelassen. Der Jugendschutz sieht es nicht vor, dass Minderjährige Zugang zu pornografischen Internet Seiten haben. Auf vielen dieser Seiten muss man bestätigen, dass man volljährig ist. Die Bestätigung des Alters erfolgt aber häufig nur durch das anklicken eines Buttons, zur Bestätigung des Alters und nicht durch eine Überprüfung der Person, beispielsweise mittels der Angabe von Personalausweis-, oder Kreditkarten Informationen (betreffende Neuerungen im Jugendschutzgesetz werden allerdings gerade angestrebt). Pornografische Seiten sind bislang für Jugendliche frei verfügbar und somit auch die Darstellung extremer Sexualpraktiken und häufig misogyner Inhalte. Der Konsum solchen Materials birgt die Gefahr, gefährliche Vorstellungen von Intimität zu vermitteln und ein degradierendes Frauenbild zu etablieren. Jedoch ist es völlig natürlich, dass die Adoleszenz eine Zeit ist, in welcher eine intensive Auseinandersetzung mit Sex, Liebe und Intimität stattfindet und somit auch die Neugierde gegenüber Pornografie völlig normal ist.

Als PädagogInnen stellt uns dies natürlich vor eine komplizierte Aufgabe: Wie schafft man es ein Unterrichtsklima herzustellen, indem SchülerInnen bereit sind über dieses Thema in den Austausch zu treten? Wann ist der richtige Zeitpunkt um mit Heranwachsenden dieses Thema anzusprechen? Und ist die Schule überhaupt ein Raum, in welchem ein solches Thema behandelt werden sollte?

Ich denke ja, ich bin der Ansicht die Schule sollte einen Raum für dieses Thema bieten, da man nicht davon ausgehen kann, dass in den Familien Raum für einen solche Dialog ist. Auch ist es nicht gesagt, dass sich Jugendliche selbstständig kritisch mit diesem Thema auseinandersetzen. Der richtige Zeitpunkt, um dieses Thema anzusprechen, ist schwierig zu determinieren. Aber ab einem Alter, in welchem es bereits für viele Jugendliche zur Normalität gehört Pornografie zu konsumieren, sollte es einen offenen Dialog geben können. Natürlich stellt sich auch die Frage, ob es verwerflich ist dieses Thema anzusprechen, bevor es rechtens für Jugendliche ist, den Zugang zu Pornografie in Anspruch zu nehmen, allerdings möchte ich an dieser Stelle anbringen, dass wir auch die sexuelle Aufklärung zum Thema in Schulen machen, bevor die SchülerInnen das Schutzalter erreichen. Nun stellt sich die Frage, wie man das Thema Pornografie im Unterricht ansprechen kann. Man sollte Niemanden zum Konsum pornografischer Medien ermutigen, aber es ist wichtig Heranwachsenden die Mittel an die Hand zu geben, pornografische Medien kritisch zu hinterfragen. Auch um zu verstehen, dass Pornos genauso fiktional sind, wie Blockbuster, die im Kino laufen. Ich bin der Überzeugung, dass man Jugendlich darüber aufklären muss, dass echter Sex ganz anders ist, als das was in der “Mainstream Pornografie” dargestellt wird. Ich vertrete die Meinung, dass man bei dieser Aufklärung darauf abstellen sollte, dass nie pornografische Sex Praktiken imitiert werden sollten, sondern das Augenmerk vielmehr auf dem achtsamen Umgang mit seinen Partnern liegen sollte. Man sollte den Konsum pornografischer Medien allerdings auch nicht verurteilen, anstelle dessen, sollte man dazu aufrufen, den eigenen Konsum zu hinterfragen. Man kann sich zu diesem Zweck zum Beispiel Experten zu diesem Thema einladen, oder von der Möglichkeit der Beantwortung anonymisierter Fragen Gebrauch machen. Zudem könnte man viele Jugendliche damit unterstützen, ihnen Ressourcen an die Hand zu geben, wenn sie sich Sorgen um Ihren eigenen Porno Konsum machen. Und deutlich ansprechen, dass es auch hier zu Suchtverhalten kommen kann. Darüber hinaus sehe ich es auch als aussichtsreich anzumerken, dass es neben der Mainstream Pornografie, mit zum Teil Frauen verachtenden Darstellungen, auch Alternativen gibt, wie feministische Pornografie, die sich mit den sexuellen Bedürfnissen von Frauen auseinandersetzt und das Augenmerk auf die Einvernehmlichkeit legt.

Abschließend möchte ich sagen, dass es sicher viele gute Wege gibt, das Thema Pornografie mit SchülerInnen zu behandeln. Der schlechteste Weg ist jedoch diesen Themenkomplex tot zu schweigen. Das Thema gut anzugehen Bedarf allerdings ein wenig Mut, Fingerspitzengefühl und sicherlich viel Verständnis.