Kjell Lennart Listing
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Kennen sie den Namen der Hauptstadt von Brunei oder wissen Sie, ob diese Schreibweise von Akquisition richtig ist?
Wahrscheinlich ist die häufigste Reaktion auf solche Fragen das Öffnen eines neuen Tabs, bevor wir in die Suchzeile unsere Frage eintippen. Wir sind mittlerweile so daran gewöhnt bei allen möglichen Fragen zu unserem mobilen Endgerät zu greifen und darauf zu wischen und zu tippen, bis wir eine Antwort innerhalb kürzester Zeit ausgespuckt bekommen. Unvorstellbar, wie es unseren Eltern gegangen sein muss! Wie in der Steinzeit mussten sie echte Menschen Fragen stellen oder ins Regal greifen um den Atlas, das Wörterbuch oder die Enzyklopädie hervorzuzaubern und sich selbst die Antwort heraussuchen.
Nun sagt so mancher, dass alles seine Zeit habe und mit dem letzten Säkulum auch die Zeit von Atlanten und Wörterbüchern abgelaufen sei. Wenn man sich in der Welt umschaut, so scheinen diese Stimmen recht zu haben. Immer mehr Verlage stampfen ihre Printwörterbücher ein und Enzyklopädien wie der Brockhaus gibt es ebenfalls höchstens noch digital. Wozu überhaupt ein Wörterbuch? Wenn wir auf unseren mobilen Endgeräten doch etliche Apps wie dict.cc haben können, die uns innerhalb kürzester Zeit die Ergebnisse liefern, die wir benötigen. Ein Tastendruck entfernt ist bereits das passende Wort, ohne dass wir die vor wissen schweren Bände aufschlagen und bedienen können müssen. Während unsere Eltern noch durch die Seiten blättern und sich Zeit nehmen mussten für die Suche der passenden Vokabel, sind wir Welten schneller und sehen nicht, was wir eigentlich nicht sehen. Auf den kleinen Bildschirmen überfliegen wir digital natives gekonnt alles außer die benötigte Information und blicken nicht links und rechts. Suchen wir auf einem digitalen Endgerät nach einer Vokabel finden wir diese sofort, aber anders als in einem richtigen Wörterbuch gibt es kein Wort drunter und drüber. Man fliegt über Seitenweise Wörter auf der Suche nach der gesuchten Vokabel – Wörter, welche wir sonst nie gesehen hätten. Gerade für Fremdsprachen oder die Weiterentwicklung des eigenen Wortschatzes stellt das eine große Chance dar. Wir nehmen Wörter wahr, an welche wir uns später erinnern werden, wenn wir uns in einer anderen Situation mit diesen Konfrontiert sehen.
Aber generell sollten wir dem Papier eine größere Rolle zugestehen. Eine Metastudie aus Stavanger zeigt ziemlich gut, dass Papier das Verständnis und die Orientierung für das gelesene deutlich erhöht. Genauso ist schon länger bekannt, dass Schreiben auf Papier einen deutlich höheren Lerneffekt hat, als das Tippen in einem Schreibprogramm wie Word. Papier hat also gewisse Vorzüge gegen über digitalen Medien. Diese sind jedoch nicht nur Realität im Leben der Mehrheit der Gesellschaft, sondern bieten ein ungeheures Potenzial, das es zu nutzen gilt.
Gerade in der Pandemie verlängerte sich die Zeit, die Jugendliche online verbringen auf täglich etwas mehr als 4 Stunden. Auch die Studenten – wie wohl die gesamte Gesellschaft – verbrachte mehr Zeit vor dem Bildschirm: ca. acht Stunden täglich! Folglich ist es überaus verständlich, dass die Verwendung von Printwörterbüchern oder ähnlichem gegen das stets locker sitzende Smartphone keine Chance hat. Wer will es in heutigen Zeiten auch verübeln, wenn die Mehrheit der Bevölkerung aus der pandemischen Welt lieber in eine digitale flieht, wo wir keinen Kontaktbeschränkungen unterliegen. Allerdings wird es hoffentlich in wenigen Monaten auch eine Welt nach der Pandemie geben. Und gerade dann sollten wir uns als Gesellschaft fragen, mit welchen Medien wir die Kinder sozialisieren wollen. Entscheidend ist dabei vor allem unser eigenes Konsumverhalten. Gerade die Haupterzieher haben einen immensen Einfluss auf das Primärmedium, welchem die Kinder zugewandt sein werden. Doch sollten wir nicht vergessen, ein einzelnes Individuum sozialisiert niemals alleine! Das kann nur eine Gesellschaft tun und das tun wir alle mit den kommenden Generationen. Ein jeder sollte sich Gedanken machen und hinterfragen, warum er jenes Medium genau verwendet und in welchem Maßen.
Wichtig ist, digitale Medien möchte ich an dieser Stelle nicht verteufeln und wir sollten uns hüten, einer kulturpessimistischen Sicht auf diese zu erliegen. Doch weder aufs Papier noch auf das Digitale sollten wir verzichten. Schließlich hat jedes Medium seine Berechtigung, egal wie jung oder alt es sein mag.
P. S.: Die Hauptstadt von Brunei ist laut Diercke „Bandar Seri Begawan“ und Akquisition ist laut dem Duden die richtige Schreibweise.