Mal das Smartphone zur Seite legen

Vivien Aline Reimers

Einige Studien zeigen, dass eine intensive Social-Media-Nutzung die Entwicklung von Depressionen begünstigen kann. Ein Kausalzusammenhang zwischen der Social-Media-Nutzung und der Entwicklung einer Depression ist allerdings noch nicht eindeutig belegt, da es sich um ein klassisches Henne-Ei-Dilemma handelt: Nutzen Menschen mit einer depressiven Veranlagung häufiger soziale Medien oder werden Menschen aufgrund ihres Social-Media-Konsums depressiv?

Für eine Langzeitstudie der Universität Montreal wurden rund 4000 Teenager*innen über vier Jahre begleitet. Das Ergebnis: Je mehr Zeit die Proband*innen mit sozialen Medien verbrachten, umso stärkere depressive Symptome entwickelten sie.

Für den negativen Effekt sozialer Medien auf die Psyche vermuten Expert*innen unter anderem diese Ursachen:

Der soziale Vergleich. Es ist kaum möglich, sich auf den sozialen Medien nicht mit anderen Menschen zu vergleichen. Wer ständig mit makellosen Körpern, aufregenden Hobbys, Traumreisen etc. konfrontiert wird, kann stärker zu Selbstzweifeln und zu einer verzerrten Selbstwahrnehmung neigen.

Der Zeitaufwand. Je mehr Zeit mit sozialen Medien verbracht wird, desto weniger Zeit bleibt für echte soziale Kontakte, das Umsetzen von Zielen, das Schlafen, die Bewegung und vieles mehr.

Die Reizüberflutung. Das Gehirn besitzt nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit, wodurch die enorme Informationsflut aus dem Internet zu einer Reizüberflutung führen kann. Außerdem kann die subjektiv wahrgenommene Informationsüberflutung mit depressiven Symptomen und einem reduzierten Wohlbefinden assoziiert werden.

Die Sucht nach Likes. Interessanterweise wirken Apps wie Instagram und TikTok, die unsere Aufmerksamkeit erregen sollen, ähnlich auf unser Gehirn wie einige Drogen. Der Körper schüttet nicht nur Glückshormone (Dopamin) aus, wenn Posts gelikt, mit positiven Kommentaren versehen oder Beiträge geteilt werden, sondern auch davor, in dem Zeitraum, in dem wir aufgrund früherer Erfahrungen eine Belohnung erwarten. Mit anderen Worten, wenn unser Smartphone vibriert und wir, getrieben von unserer „Dopamin-Gier“, eine kleine Belohnung in Form einer Nachricht oder einer E-Mail erwarten, sind wir wie der Pawlowsche Hund klassisch konditioniert.

Damit sorgt Dopamin im Gehirn für das Empfinden von Vergnügen und Belohnung und ist z.B. auch aktiv beim Essen, Sex und sozialen Interaktionen. Diese angenehmen Erfahrungen möchte man wiederholen, insbesondere dann, wenn es im realen Leben nur wenige alternative Quellen positiver Erfahrungen gibt. In den sozialen Netzwerken ist es schließlich einfach, diese kleinen sozialen Belohnungen zu aktivieren. Rund um die Uhr können wir uns mit hunderten oder tausenden Menschen verbinden und müssen dazu noch nicht einmal aufstehen.

Die langfristigen Auswirkungen der sozialen Netzwerke auf das Gehirn, insbesondere bei jungen Menschen, sind schwer erfassbar und noch zu wenig erforscht. Also: Lasst uns die Smartphones öfter zur Seite legen und „lass mal Dopamin vergeuden“ (J. Engelmann 2013)!

Quellen:

Liken oder vergleichen: Mit sozialen Netzwerken in die Depression? (2019). In: Springer Medizin Verlag GmbH, Ärzte Zeitung, 02.08.2019. Online verfügbar unter https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Mit-sozialen- Netzwerken-in-die-Depression-302152.html, zuletzt geprüft am 13.06.2021.

Souverän mit sozialen Medien umgehen (2021), 05.03.2021. Online verfügbar unter https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/der-einfluss-sozialer-medien-auf-die-psyche/, zuletzt geprüft am 13.06.2021.

Zeitung, Berliner (2020): Wie Soziale Netzwerke die Nutzer süchtig machen. In: Berliner Zeitung, 09.09.2020. Online verfügbar unter https://www.berliner-zeitung.de/zukunft-technologie/durch-algorithmen-zur-sucht-li.103474, zuletzt geprüft am 13.06.2021.